Sommersession 2024 der eidgenössischen Räte

In der diesjährigen Sommersession steht aus Sicht des Finanzplatzes die Finanztransaktionssteuer im Zentrum, die gleich in zwei Geschäften aufgenommen wird. Mehr dazu lesen Sie in dieser Sessionsvorschau. 

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Positionen der SBVg auf einen Blick:

Rat

Geschäft

Position der SBVg

SR
 

23.082 

Legislaturplanung 2023-2027

Streichung des Artikels 8 Ziffer 47bis (Massnahme, eine Botschaft zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der AHV zu erarbeiten) 
gemäss Antrag LPK-S  
NR

24.3106 

Motion Felix Wettstein (SO, Grüne Fraktion)  

Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der Sozialversicherungen 

Ablehnung 

Im Ständerat

23.082 

Legislaturplanung 2023-2027 

Im Nationalrat

24.3106 

Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der Sozialversicherungen

Position SBVg zu beiden Vorlagen:

Aus Sicht der SBVg ist eine Finanztransaktionssteuer keine zweckmässige Lösung für die Finanzierung der AHV bzw. der Sozialversicherungen. Das Parlament hat dem Bundesrat mit Annahme des Postulats Rieder (21.3440 Finanzierung der AHV durch eine Finanzmarkttransaktionssteuer) den Auftrag gegeben, eine Auslegeordnung vorzunehmen, wie eine Finanztransaktionssteuer ausgestaltet sein müsste, um die Finanzierung der AHV mittel- und langfristig sicherzustellen. Eine Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der AHV in die Legislaturplanung 2023-2027 aufzunehmen sowie eine Annahme der Motion würden diesem Bericht vorgreifen, den das Parlament selbst in Auftrag gegeben hat.  

Zudem sprechen triftige Sachgründe gegen eine Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der Sozialversicherungen. Eine Finanztransaktionssteuer würde den Schweizer Kapitalmarkt und mit ihm die Finanzierung und Investitionen der Schweizer Unternehmen empfindlich schwächen. Somit besteht die Gefahr, dass Unternehmen aus der Schweiz abwandern oder für ihre Finanzierung vom Ausland abhängig werden.

Gleich zwei Geschäfte befassen sich mit dem Anliegen der Finanzierungen der AHV bzw. der Sozialversicherungen durch eine Finanztransaktionssteuer (FTT) (für eine Erklärung der Begrifflichkeiten verweisen wir auf den News-Beitrag auf unserer Website): Die Legislaturplanung 2023-2027 sowie die Motion Wettstein 24.3106.  

 Legislaturplanung 2023 – 2027  

Am 27. Mai berät der Ständerat die Legislaturplanung 2023 – 2027. Zu Beginn jeder Legislaturperiode legt der Bundesrat in der Legislaturplanung die strategischen Ziele und Prioritäten für die nächsten vier Jahre fest. 

Der Bundesrat hat am 24. Januar 2024 die Botschaft zur Legislaturplanung 2023-2027 verabschiedet. Das Parlament kann sich dazu äussern, wie die Ziele und Prioritäten umgesetzt werden sollen. 

Im Zuge der Vorberatung nahm die zuständige Kommission (LPK-N) des Nationalrates einen Antrag an, mit welchem sie die Verabschiedung einer Botschaft zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der AHV fordert. Damit soll dem Ziel 7 des Bundesrates «Die Schweiz sorgt für einen ausgeglichenen Bundeshaushalt sowie eine stabile Finanzordnung und verfügt über ein wettbewerbsfähiges Steuersystem.» Rechnung getragen werden. Der Nationalrat hat dem Antrag in der Sondersession Folge geleistet. 

Die zuständige Kommission (LPK-S) des Ständerats empfiehlt, diese Bestimmung (Art. 8 Ziff. 47bis in der Fahne der Sommersession 2024) wieder zu streichen. 

Nach der Erstberatung beider Räte wird bei bestehenden Differenzen eine Einigungskonferenz (EK) einberufen. Dass diese bereits dann eingesetzt wird, wenn nach der ersten Beratung der beiden Räte Differenzen bestehen, ist eine Eigenheit des Prozesses bei der Erarbeitung der Legislaturplanung. Die EK besteht aus je 13 Mitgliedern der zuständigen Kommissionen beider Räte1 und stellt den Räten einen Einigungsantrag, der die Differenzen bereinigt. Vorliegend würde sich der Nationalrat am Mittwoch, 5. Juni 2024 und der Ständerat am Donnerstag, 6. Juni mit den Anträgen aus der EK auseinandersetzen. Die Legislaturplanung soll damit noch in dieser Session finalisiert werden. 

 Mo. 24.3106 – Finanztransaktionssteuer zur Finanzierung der Sozialversicherungen 

Weiter befasst sich der Nationalrat mit der Motion Wettstein 24.3106, welche den Bundesrat beauftragt, die notwendigen Erlasse zur Einführung einer FTT auszuarbeiten. Die Erträge sollen zur Finanzierung der Bundesanteile an die Sozialversicherungen eingesetzt werden (Ausgleichsfonds der Sozialversicherungen AHV, IV und EO). 

Aus Sicht der Schweizerischen Bankiervereinigung ist eine FTT keine zweckmässige Lösung für die Finanzierung der Sozialversicherungen. Mit der Umsatzabgabe kennt die Schweiz bereits seit 1918 eine Finanztransaktionssteuer, die viel weitreichender ist als in anderen Ländern. 

Daneben sprechen materielle Gründe gegen eine FTT zur Finanzierung der Sozialversicherungen. Finanzkapital ist einer der global mobilsten Faktoren und reagiert sehr schnell und sehr stark auf Preisänderungen. Eine Einführung oder ein Ausbau von Kapitalmarkt-Steuern mittels einer FTT könnte deshalb dazu führen, dass Teile des Kapitalmarkts ins Ausland abwandern. Bekanntestes Beispiel ist Schweden, wo infolge einer Mitte der 1980er Jahre erhobenen Finanztransaktionssteuer 30% des Handelsvolumens und bis 1990 sogar fast 50% nach London verschwand2. In der Folge hätte eine solche Steuer Auswirkungen auf die Finanzierung und die Investitionen von Schweizer Unternehmen, die etwa vermehrt vom Ausland abhängig werden würden. 

Zudem wird der Aufbau von Kapital der Bevölkerung für ihre Altersvorsorge um die FTT verteuert und steht daher im scharfen Widerspruch zur demographischen Entwicklung und dem tatsächlichen politischen Handlungsbedarf. Denn die FTT wird nicht vom Finanzsektor getragen, sondern von allen Wirtschaftsteilnehmerinnen und Wirtschaftsteilnehmern – genau wie die Mehrwertsteuer nicht vom Restaurant getragen wird, sondern vom Gast – und ist deshalb eine versteckte Steuer für uns alle. Und schliesslich unterliegen Finanztransaktionssteuern – wie der Kapitalmarkt selbst – grossen Schwankungen und sind deshalb für eine längerfristige Sanierung der Sozialversicherungen völlig ungeeignet. 

Aus all diesen Gründen hat sich auch in wichtigen anderen Ländern (z.B. Deutschland3, Frankreich4) und Organisationen (z.B. Weltbank5) längst Skepsis gegenüber Kapitalmarkt-Steuern breit gemacht. 

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1 Die LPK-S besteht ihrerseits aus 13 Mitgliedern, weshalb die LPK-S komplett in der Einigungskonferenz einsitzen würde. Die Delegation der LPK-N richtet sich nach Fraktionsstärken. 

2 Aus Politik und Zeitgeschichte, 23.03.2012: Finanztransaktionsteuer – Möglichkeiten und Grenzen (Finanztransaktionssteuer - Möglichkeiten und Grenzen | Schuldenkrise und Demokratie | bpb.de) 

3 Zur Sinnhaftigkeit einer Finanztransaktionsteuer, Wissenschaftlicher Beirat beim Deutschen Bundesministerium der Finanzen, März 2020

4 La taxe sur les transactions financières et sa gestion, Cour des comptes, Juni 2017

5 Financial Transactions Tax: Panacea, Threat, or Damp Squib? – Policy Research Working Paper 5230, Weltbank, März 2010

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