Digitale Währungen und Zahlungssysteme
Digitale Zahlungsmittel wie private Stablecoins bieten zusätzlichen Kundennutzen. Sie versprechen innovative und neue Geschäftsfelder für die Wirtschaft die Steigerung von Effizienz und die Minderung von Risiken. Auf dem Weg hin zu breiten Verwendung und Akzeptanz von digitalen Zahlungsmitteln stellen sich wichtige Fragen für Banken und Behörden.
Die Schweizerische Bankiervereinigung setzt sich mit möglichen Implikationen digitaler Währungen auseinander und verfolgt den rapiden Umbruch des Zahlungssystems. Im März 2023 hat die SBVg ein Whitepaper zur Idee eines Buchgeld-Token publiziert.
In Zukunft werden digitale Währungen und andere elektronische Zahlungsmittel wichtige Bestandteile der «Wirtschaft 4.0» sein. Da sie einen klaren sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert bieten, ist es nicht eine Frage ob, sondern nur wann und in welcher Form sie eingeführt und breit verwendet werden. Eine Veränderung der genutzten Zahlungsmittel wird gleichzeitig die Anforderungen an den Zahlungsverkehr modifizieren. Dieser wird künftig kanalunabhängige und grenzüberschreitende Instant-Payment Möglichkeiten bieten müssen.
Veränderungen im Zahlungsverkehr sind bereits im Gang
Der markante Anstieg von bargeldlosen Zahlungen und die wachsende Bedeutung von digitalen Währungen beeinflussen auch das Zahlungssystem. Der Zahlungsverkehr, der ehemals als reiner Kostentreiber angeschaut wurde, steht mitten in bedeutenden technologischen, betriebswirtschaftlichen und regulatorischen Umwälzungen. Er ist zwar robust, aber auch langsam, unflexibel und teuer. Die Ansprüche der Kunden, die sich weiterentwickelnde Marktinfrastruktur sowie Wettbewerb und neue Technologien verlangen heute sichere omnichannel und Zahlungsmöglichkeiten in Echtzeit.
Mit Instant Payments (IP) können Zahlungen künftig in Sekundenschnelle abgewickelt werden. Sämtliche Banken, die Kundenzahlungen anbieten, sind früher oder später verpflichtet, Instant Payments verarbeiten zu können: Bereits ab August 2024 betrifft dies grössere Banken mit über 500'000 Transaktionen und ab November 2026 werden alle Banken in der Schweiz zumindest Instant Payments empfangen können müssen. Die SIX stellt für die Umsetzung hilfreiche Dokumente zur Verfügung wie beispielsweise die Grundprinzipien, ein SIC IP-Service-Handbuch sowie die sogenannten Implementation Guidelines.
Die Banken stehen vor zahlreichen Herausforderungen
IP erweitert zwar nicht direkt das Spektrum der Funktionalität digitaler Zahlungsmittel, stellt für digitale Geschäftsmodelle allerdings eine Verbesserung hinsichtlich Geschwindigkeit und Verfügbarkeit dar, die auch für digitale Zahlungsmittel von Nutzen ist.
Der Bundesrat veröffentlichte 2019 einen ausführlichen Bericht zu digitalem Zentralbankgeld («Central Bank Digital Currencies», CBDC). Gemeinsam mit dem BIZ Innovation Hub arbeitet die Schweizerische Nationalbank (SNB) an verschiedenen Anwendungen für eine digitale Zentralbankenwährung. Gleichzeitig haben der Bundesrat und die SNB erklärt, dass vorerst kein Bedarf für die Einführung einer CBDC für das breite Publikum (sog. «Retail CBDC») besteht; gleichzeitig wird aber auf das Innovationspotenzial im Bereich digitaler Zahlungsmittel hingewiesen. Die SBVg teilt diese Einschätzung und will mit ihren Arbeiten zu digitalen Währungen zur Wettbewerbs- und Innovationsfähigkeit der Schweiz beitragen. Der anstehende Innovationsschub stellt die Finanzwelt und ganz spezifisch die Banken vor zahlreiche geschäftspolitische, ökonomische, technologische und rechtliche Herausforderungen, die es nun zu meistern gilt.
Die Nachfrage nach digitalen Zahlungsmitteln steigt rasant
Kryptowährungen wie Bitcoin erhalten seit Jahren viel Aufmerksamkeit in Medien und Öffentlichkeit. Die Veröffentlichung von Facebooks inzwischen gescheiterten Plänen rund um eine globale Digitalwährung (Diem, Libra) im Jahr 2019 hat die Arbeiten zahlreicher Marktakteure an digitalen Währungen und privaten elektronischen Zahlungsmitteln massiv beschleunigt. Solche Währungen bieten vielfältige Möglichkeiten und potenziell einen grossen wirtschaftlichen Nutzen. Sie ermöglichen die Programmierbarkeit von Geldflüssen durch Smart Contracts, Zahlungsabwicklungen zwischen Maschinen ohne menschliches Zutun, Anwendungen im Kontext von «Decentralized Finance», sowie die Vereinfachung grenz- und währungsüberschreitender Zahlungen.
Vor diesem Hintergrund hat die Anzahl «Wallets», d.h. digitaler Brieftaschen zum Halten digitaler Vermögenswerte (unter anderem Stablecoins), weltweit rasant zugenommen. Die turbulenten Entwicklungen bei einigen Stablecoins und Akteuren im «Krypto»-Bereich lassen den Schluss zu, dass ein Bedarf nach einer stabilen, vertrauenswürdigen und sicheren Digitalwährung besteht.
Der Buchgeld-Token – Neues Geld für die digitale Schweiz
Die global fortschreitende Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft erfordert eine Unterstützung durch effiziente, breit akzeptierte und sichere Zahlungsmittel. Es stellt sich dabei die Frage, wie Banken die Schweizer Wirtschaft bei der Abwicklung von Transaktionen mit digitalen Vermögenswerten und Zahlungen in einer digitalisierten Wirtschaft optimal unterstützen können. Aktuell befasst sich die SBVg deshalb prioritär mit den Möglichkeiten von privat emittierten (d.h. durch regulierte und beaufsichtigte Geschäftsbanken), öffentlich zugänglichen, programmierbaren Geldformen als öffentlichem Gut und deren optimalen Ausgestaltung.
Vor diesem Hintergrund schlägt die SBVg in ihrem Whitepaper die Konzeption einer digitalen Währung in Form von «tokenisiertem» und auf der Distributed Ledger Technologie (DLT) basierendem Buchgeld vor: dem «Buchgeld-Token» (BGT). Solch ein Stablecoin kann viele neuartige Anwendungen ermöglichen, Risiken reduzieren, Effizienz erhöhen und neue Geschäftsfelder erschliessen.
Das Whitepaper kommt zum Schluss, dass der BGT ein taugliches Mittel darstellen kann, um die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit des Finanzplatzes zu sichern und die digitale Wirtschaft und deren Innovationskraft zu stärken sowie die wirtschaftliche und technologische Souveränität der Schweiz zu wahren.
- Der BGT ist «programmierbares Geld», d.h. eine rein digitale und mit programmierbaren Funktionen erweiterbare Form des CHF. Der BGT soll auf einer mit anderen Plattformen interoperablen und zugangsoffenen Blockchain-Technologie gekoppelt mit Smart-Contract-Fähigkeiten basieren. Dies legt eine Implementierung auf einer «Public Blockchain» nahe.
- Mit Buchgeld stellen Geschäftsbanken ihrer Kundschaft seit langer Zeit ein bewährtes Instrument der Wertschöpfung zur Verfügung. Wenn diese fundamentale Leistung auch in einem «tokenisierten» Finanzsystem erbracht werden soll, dann muss ein digitaler CHF dem herkömmlichen Buchgeld ökonomisch möglichst stark ähneln.
- Zur Gewährleistung der Werthaltigkeit des BGT ist er mit sicheren und hochliquiden Vermögenswerten in der Bilanz der Emittentin zu unterlegen. Nur so kann er jederzeit zu pari in herkömmliches Buchgeld konvertiert (Konvertibilität) oder in von anderen Instituten emittierte BGT eingetauscht (Fungibilität) werden. Die bisherigen Arbeiten legen den Schluss nahe, dass die Emittentin der BGT eine gemeinsam gehaltene, mit den nötigen Lizenzen und Kontrollen ausgestattete Intermediärin ist.
- Um die Vorteile der durch das DLT-Gesetz geschaffenen Rechtssicherheit bei der Übertragung von Forderungen und des Einsatzes des BGT in Smart Contracts auszuschöpfen, sollte der BGT als Verbindlichkeit gegenüber der Emittentin in Form eines Registerwertrechts herausgegeben werden. Diesbezügliche finanzmarktrechtliche Fragestellungen zur Effektenqualität sind hierbei jedoch noch zu analysieren und zu klären.
- Nebst dem durch die Programmierbarkeit realisierbaren Effizienz- und Innovationspotenzial in verschiedenen Anwendungsbereichen ergeben sich für Privathaushalte und Firmen sich zudem weitere Vorteile aufgrund der Verfügbarkeit, Anwendbarkeit, Geschwindigkeit und Verlässlichkeit und Sicherheit von Zahlungen.
- Der BGT als Zahlungsmittel kann medienbruchfrei in einen ebenfalls DLT-basierten Eigentumsübertrag integriert werden. Dies ermöglicht die «Delivery-versus-Payment»-Funktionalität (DvP), d.h. die simultane Abwicklung von Eigentumsübertrag und Geldtransaktion.
- Der BGT soll einem breiten Publikum erstmals den Zugang zu dieser stabilen Geldform ermöglichen bzw. das heutige Ausweichen auf weniger stabile und sichere Token oder Stablecoins überflüssig machen.
Der BGT könnte aus heutiger Sicht insbesondere in den folgenden, absehbaren Anwendungsbereichen breit zum Einsatz kommen:
- Als «Cash Leg» für Transaktionen mit digitalen Vermögenswerten: Der BGT würde eine vollautomatische simultane Abwicklung von Transaktionen mit digitalen Vermögenswerten auf derselben Plattform ermöglichen und damit Abwicklungsrisiken und Gegenparteirisiken reduzieren. Zudem verspricht namentlich die automatisierte Abwicklung von Corporate Actions einen grossen Effizienzgewinn.
- Als Zahlungsmittel der Zukunft: Erstens könnte der BGT zur Abwicklung Wallet-basierter Zahlungen für ein breites Publikum in Kombination mit Smart-Contract-Funktionalitäten und dadurch auch als Basis für weitere Innovationen, sowohl im E-Commerce-Bereich, an der Kundenschnittstelle oder bei «Peer-to-Peer»-Transaktionen, dienen. Zweitens könnte der BGT zur Reduktion von Kosten und Friktionen bei Zahlungen grosser und sehr kleiner Beträge beitragen.
- Als Treiber eines CHF-DLT-Finanz-Ökosystems (Stichwort «Decentralized Finance» bzw. DeFi): Ein DLT-Finanz-Ökosystem ermöglicht das Abbilden und Abwickeln traditioneller wie neuartiger Finanzprodukte durch Smart Contracts mittels Blockchain. Der BGT kann den Reifegrad dieses Ökosystems erhöhen, neue Anwendungsfelder erschliessen und es für Schweizer Anwenderinnen und Anwender durch einen einfachen Zugang und Finanzgeschäfte in ihrer Referenzwährung attraktiver machen.
Der BGT muss in jedem Fall rechtlichen und regulatorischen Anforderungen genügen und gleichzeitig dem Kundenbedürfnis nach Vertraulichkeit und Privatsphäre nachkommen. Die Beantwortung der in diesem Zusammenhang bestehenden, offenen Fragen erscheinen für eine erfolgreiche Weiterentwicklung der Konzeption eines BGT notwendig. Ebenfalls analysiert werden müssen Aspekte wie (i) die genauen Auswirkungen des BGT auf Bilanz, Finanz- und Risikokennzahlen von Banken, (ii) die Schnittstellen zwischen der Public Blockchain und den bestehenden Finanzmarktinfrastruktursystemen sowie (iii) die Tauglichkeit des BGT für das grenzüberschreitende Geschäft.
Für das Vorantreiben der Idee des BGT sind nun Studien zur funktionalen Machbarkeit erforderlich. Dafür müssen rechtliche und regulatorische Fragestellungen im Dialog mit den zuständigen Behörden verbindlich geklärt werden. Die SBVg setzt sich gemeinsam mit ihren Mitgliedern für diese erforderliche Klärung und die Fortsetzung der Arbeiten an einem BGT ein.