Angst vor Libra?
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Wenn sich deutsche Finanzminister echauffieren, erzeugt das in der Schweiz mitunter ein Echo. Olaf Scholz, Sozialdemokrat und deutscher Finanzminister, äusserte sich jüngst kritisch zur angekündigten privaten Digitalwährung Libra. Ein «Wettbewerb» zwischen staatlicher und privater Währung könne sich negativ auf das Währungsmonopol der Europäischen Zentralbank auswirken. Auch wenn deutsche Finanzminister in der Schweiz keineswegs für jede Äusserung Beifall ernten – in diesem Fall ist die Aussage bedenkenswert. Ein kurzes Innehalten lohnt sich: Die Vehemenz, mit der die grundsätzliche Ablehnung zum Ausdruck kommt, lässt aufhorchen. International ist ein regelrechtes Gewitter über die in Genf ansässige Libra Association hereingebrochen. Wieso fürchten das marktwirtschaftlich orientierte Europa, aber auch die USA sowie die Zentralbanken Libra wie der Teufel das Weihwasser? Und warum sind die Banken keineswegs in einer vergleichbaren Abwehrhaltung?
Die globale Politik will Libra nicht
Eine erste Antwort dürfte wohl in der Verquickung von Politik und Notenbanken liegen: Die meisten Zentralbanken sind zwar institutionell unabhängig, ihre Geldpolitik steuern sie aber im Hinblick auf den mitunter politikgetriebenen Wirtschaftsgang. Seit zehn Jahren versucht zum Beispiel die Europäische Zentralbank, politische Versäumnisse mit Tiefzinsen zu kompensieren. Die staatlichen Institutionen wollen auf die exklusive Transmission der Geldpolitik in die reale Wirtschaft auch in Zukunft nicht verzichten.
Konkret: Konkurrenz ist unerwünscht – auch wenn die Bürgerinnen und Bürger in der Praxis sowieso die Währung als Zahlungsmittel oder Wertaufbewahrungsmittel wählen, welche ihnen a priori mehr Stabilität verspricht. Daran ist nichts undemokratisch und dies geschieht heute schon dort, wo etwa der US-Dollar als Schattenwährung kursiert.
Facebook und die Frage des geeigneten Absenders
Die politische Abneigung liegt auch im Absender begründet: Facebook ist denkbar gut geeignet, um Ablehnung zu provozieren. Ein beliebtes Argument gegen Libra ist denn auch der Verweis auf das fehlende Vertrauen in die Währung respektive in deren treibende Kraft, Facebook. Und ja, dieses Vertrauen muss sich Libra – und Facebook – zuerst erarbeiten. Der Umgang von Facebook mit privaten Daten in der jüngsten Vergangenheit schafft hier erstmal keine günstigen Voraussetzungen. Bloss: Fehlendes Vertrauen allein ist kein Grund, Libra zu verbieten. Niemand ist gezwungen, Libra zu halten. Wer Libra nicht traut, muss Libra nicht anrühren.
Libra braucht die Banken
Die grossen Techfirmen haben die Welt zweifelsohne verändert – vom Versandhandel bis zur Art und Weise, wie Freundschaften organisiert werden. Lässt sich beispielsweise mit neuen Ideen, grossen Investitionen, der Kooperation grosser, globaler Unternehmen und den potentiell resultierenden tiefen Grenzkosten das etablierte Bankgeschäft ebenfalls aus den Angeln heben? Könnte die Libra Association ein System aufbauen, das das Banking so verändert, wie es einst Amazon mit dem Buchhandel gemacht hat?
Wohl kaum. Eine Parallelwährung mit Wechselkursrisiken wie Libra hat auf absehbare Zeit als Zahlungsmittel innerhalb der Schweiz und in Ländern mit vergleichbarer Wechselkursstabilität einen schweren Stand. In der Schweiz ist Libra für den innerschweizerischen Zahlungsverkehr ungeeignet, solange Mieten, Löhne und ein grosser Teil des Lebensunterhalts in Franken bezahlt werden.
Auch wenn sich Libra im internationalen Zahlungsverkehr dereinst durchsetzen sollte, so müsste in den meisten Fällen gleichwohl ein Wechsel in die Heimwährung stattfinden, entweder direkt bei den Banken mittels Libra-Konti oder über digitale Wechselstuben. Die Banken werden allerdings nur dann Mittel aus dem Libra-Netzwerk entgegennehmen, wenn das Libra-Netzwerk im Bereich Geldwäscherei und Steuertransparenz eine nachweislich einwandfreie weisse Weste hat. Die regulatorischen Anforderungen weltweit zu erfüllen, wird zur Herkulesaufgabe für die Libra Association. Stellvertretend für die zahlreichen Herausforderungen mag der Hinweis der Bank Julius Bär zum KYC dienen: Millionen Facebook-Nutzer,– und damit potentielle Benutzer von Libra – verfügen, vor allem in Entwicklungsländern, über keine gesicherte Identität. Ohne gesicherte Identität gibt es keine Integration ins internationale und etablierte Finanzsystem.
Verschiedentlich wird in der Diskussion die These vertreten, wonach mit Libra dieses etablierte Finanzsystem, sprich die Banken, letztlich ganz umgangen werden kann. Vorab: Private Personen besitzen keinen direkten Zugang zur SNB – mit und ohne Libra. Privatkunden werden ihre Einlagen weiterhin in Schweizer Franken und somit bei einer lizenzierten Bank halten und dort auch Kredite aufnehmen. Die Schweizer Geschäftsbanken werden folglich auch in einer Welt mit Libra die etablierten und zentralen Dienstleistungen wahrnehmen.
Denkbar ist nun, dass sich die Libra Association selber um eine eigene Banklizenz bemüht und so die etablierten Banken umgeht. Die Vereinigung müsste allerdings in jedem Land im Besitz einer gültigen Lizenz sein, was den Aufwand noch einmal massiv steigern würde. Eine Kooperation mit bestehenden Banken scheint hier für beide Seiten ein wesentlich einfacherer Weg.
Libra mag dereinst durchaus eine Rolle im internationalen Zahlungsverkehr erfüllen. Löhne, Mieten, alltägliche Ausgaben werden in der Schweiz in Schweizer Franken getätigt. Libra ist auf lange Zeit auf eine Anbindung an das Bankensystem – national und auch international – angewiesen. Eine erfolgreiche Kooperation könnte daher eine Chance für den Finanzplatz Schweiz sein. Vorausgesetzt die Währung erfüllt nicht nur sämtliche regulatorischen Anforderungen, sondern schafft tatsächlich auch den Durchbruch gegen die aktuell grossen globalen politischen Widerstände.