Meinungen
20.11.2019

Bedeutung der Banken in der Schweiz: Dynamik anstatt Stagnation

In der Studie zur Bedeutung des Finanzsektors von BAK Economics zeigt sich die dynamische Entwicklung des Bankensektors erst auf den zweiten Blick. Die Wertschöpfung der Banken bleibt relativ stabil, aber die Nachfrage des Bankensektors nach Vorleistungen aus anderen Sektoren nimmt weiter zu. Die Ablösung der vollständigen Eigenfertigung nimmt somit ihren Lauf.
Beitrag vonMartin Hess

Die heute erschienene Studie von BAK Economics zur gesamtwirtschaftlichen Bedeutung des Finanzsektors zeigt, dass im letzten Jahr mehr als 218'000 Beschäftigte eine Wertschöpfung von 63 Mrd. CHF generierten. Fast jeder zehnte Franken, der in der Schweiz erwirtschaftet wird, kommt direkt vom Finanzsektor.

Unter Einbezug der vorgelagerten Wertschöpfungsschritte sowie der Wirtschaftsimpulse durch die Konsumausgaben der Angestellten beträgt die gesamte Wertschöpfung sogar 83 Milliarden Franken oder 12.4% der Gesamtwirtschaft. Damit verbunden waren 2018 insgesamt 364'900 Arbeitsplätze. Auf zehn Angestellte bei den Banken schafft der Sektor über die indirekten Effekte zusätzlich sieben Stellen in anderen Sektoren.

Finanzintermediation als Infrastruktur

Diese beeindruckenden Zahlen lassen erkennen, dass der Finanzsektor wesentlich zum Wohlstand der Schweiz beiträgt. Er übt dabei eine zentrale Infrastrukturfunktion aus. Ohne starke einheimische Finanzbranche sind die problemlose Versorgung mit Kreditmitteln, der Zahlungsverkehr oder die Risikoabsicherungen nicht garantiert und eine prosperierende Wirtschaft nicht möglich.

Darüber hinaus kommt dem Finanzsektor eine wichtige Rolle bei der Schweizer Altersvorsorge zu. So wurden Altersvermögen in Höhe von 879 Mrd. CHF innerhalb der zweiten Säule verwaltet. Die Vorsorgeprodukte der dritten Säule hatten zusätzlich ein Volumen von 123 Mrd. CHF.

Fortschreitender Strukturwandel

Die Studie zeigt auf, dass die Wertschöpfung der Banken in der Vergangenheit aus statistischer Sicht stagniert hat und dies auch noch in der Zukunft so sein wird. Grund für Ernüchterung gibt es aber nur teilweise. Vor allem die Zinsentwicklung mit dem entsprechenden Margendruck hat die Banken im letzten Jahrzehnt einen hohen einstelligen Milliardenbetrag gekostet. BAK Economics schätzt, dass jedes Zehntelprozent Margensenkung rund einer verlorenen Milliarde Wertschöpfung entspricht. Die Bankiervereinigung hat in einer Studie die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen der Negativzinsen aufgezeigt.

Ansonsten ist die Stagnation nicht auf einen Rückgang der Bedeutung der Bankinstitute zurückzuführen, sondern auf den dynamischen Strukturwandel. Allein fünf Milliarden Franken fehlen an Wertschöpfung durch die Auslagerung von einzelnen Geschäftsbereichen der Grossbanken an konzerninterne Dienstleistungsgesellschaften, die statistisch nicht mehr als Banken erfasst sind. Hinzu kommen der verstärkte Bezug von externen Vorleistungen, namentlich im IT-Bereich, welche die die eigene Wertschöpfung ersetzen.

Positive Dynamik

Neben diesen Sondereffekten fallen auch die Anpassungen der Geschäftsmodelle und die Stärkung des Sektors durch die Digitalisierung ins Gewicht. Bankennahe Nicht-banken sind mittlerweile wertschöpfungsstärker als jede einzelne Bankengruppe. Der Geschäftserfolg ist in den letzten Jahren gestiegen, und die Finanzdienste leisten den grössten Beitrag am Überschuss der Schweizer Dienstleistungsbilanz.

Besonders positiv für die nahe Zukunft stimmt auch der anfangs November veröffentlichte Beschäftigungsindikator der KOF. Die Einschätzung der Arbeitsmarktlage für die kommenden Monate war gemäss Umfrageresultaten für die breit definierte Bankenbranche so positiv wie letztmals im Jahr 2001. Dies gibt einen Hinweis darauf, dass Auslagerungen das Kerngeschäft stärken und nicht, wie vielerorts befürchtet, konkurrenzieren.

Um auch in Zukunft die Früchte des Fortschritts ernten zu können, braucht es von den Behörden weiterhin den zukunftsgerichteten Spirit bei den Rahmenbedingungen für digitale Innovationen. Die Banken sind sich heute sehr bewusst, dass es im Jahr 2020 keine Option mehr ist, den digitalen Fortschritt von der Seitenlinie aus zu beobachten. Bei den Rahmenbedingungen verbessert werden müssen die Evergreenthemen Steuern und Marktzugang. Dies ist eine notwendige Voraussetzung für die Zurückeroberung von verlorenem Terrain an das Ausland.

Autoren

Martin Hess
Leiter Wirtschaftspolitik
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