11.03.2025

#finance matters: Heute mit Michèle Etienne, Verwaltungsratspräsidentin Bernerland Bank

Frauen spielen eine entscheidende Rolle in der Transformation der Finanzwelt. Sie tragen zu einer inklusiveren, innovativeren und leistungsfähigeren Branche bei. Viele Banken und Finanzinstitute setzen sich für die Gleichstellung der Geschlechter ein und fördern die Karriere von Frauen. Gerade Bankerinnen fungieren als Vorbilder für jüngere Generationen und inspirieren sie, ebenfalls Karrieren in der Finanzwelt anzustreben. Und Finanz-Influencerinnen motivieren junge Menschen, sich mit Themen wie Sparen und Vorsorge auseinanderzusetzen. Zudem sind Bankerinnen und Influencerinnen wichtige Botschafterinnen für das Thema finanzielle Selbstbestimmung, das für Frauen von zentraler Bedeutung ist. 

Die Bankiervereinigung stellt in einer Interviewserie Frauen aus der Finanzwelt vor.

Frau Etienne, wann wurde Ihnen bewusst, dass finanzielle Selbstbestimmung wichtig ist?

Dies wurde mir bereits als Teenager bewusst. Das Taschengeld für Dinge ausgeben zu können, welche in den Augen der Eltern «sinnlos» sind oder in den Augen der Erwachsenen weniger wertig, hat mir gezeigt, dass ich mit dem eigenen Geld auch eine Unabhängigkeit gewinne. Interessanterweise wurde ich dadurch aber nicht leichtsinnig oder unüberlegt. Es war mehr das Gefühl, welches ich durch das Geld erfuhr, so nach dem Motto: «ich könnte, wenn ich wollte».

Was haben Sie diesbezüglich von zu Hause mitbekommen?

Meine Eltern waren Unternehmer in der Lederwarenbranche. Beide waren stets berufstätig, mein Vater als KMU-Unternehmer mit 100 Mitarbeitenden in der Lederwarenfabrikation, meine Mutter als Inhaberin zweier Lederwarengeschäfte im Detailhandel. Dieses engagierte und arbeitsame Umfeld hat mich stark geprägt. Getreu dem Motto: «Du kannst Vieles erreichen, wenn Du Dich anstrengst» wuchs ich mit einer gesunden Portion Selbstvertrauen und im Glauben auf, dass letztlich nur die Leistung über den Erfolg entscheidet. Ich habe das Unternehmertum mit all seinen Freuden und Leiden von Klein auf miterlebt. Das prägt einen fürs Leben.

Womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?

Mit meiner Cousine haben wir im Vorschulalter Feldblumen gesammelt und als Sträusschen an die Familie verkauft. Bereits mit 10 Jahren durfte ich in der Fabrik meines Vaters im Lager helfen und ein Taschengeld verdienen, damals vielleicht fünf Franken für einen Mittwochnachmittag. Das Fahren mit dem Gabelstapler ist mir noch heute in wunderbarer Erinnerung.

Haben Sie das Geld gespart oder gleich ausgegeben?

Mir war wichtig, mein eigenes Geld auf dem Jugendsparkonto zu wissen. Ich sparte bereits früh Geld für ein Töffli, das war zu meiner Zeit auf dem Dorf das Non plus Ultra.

Ist Geld wichtig?

Geld gibt mir Unabhängigkeit und Sicherheit. Je älter ich werde, bedeutet es mir auch Freiheit, vermehrt diejenigen Dinge zu tun, auf die ich Lust habe und die mir Freude bereiten.

Warum sparen Sie?

Das hat zum einen sicher mit meinen Wertvorstellungen zu tun. Ich wurde so erzogen, dass man zunächst spart, und sich dann erst die Dinge kauft. Das Leben auf «Pump» war bei uns zu Hause verpönt. Zum anderen spare ich, weil ich wie vorher erwähnt unabhängig sein möchte. Mir ist wichtig, dass es bis zum Schluss meines Lebens finanziell gut aufgeht.

Ab wann sollte frau sich mit dem Thema finanzielle Selbstbestimmung auseinandersetzen?

Möglichst früh, um nicht in eine finanzielle Abhängigkeit zu geraten. Hier stelle ich leider häufig fest, dass viele Frauen diesem Aspekt kaum Aufmerksamkeit schenken, zu kurzfristig denken oder sich zu stark auf den Partner verlassen.

Was denken Sie, tun sich Frauen eher schwer mit diesem Thema?

Ich kann nicht für alle Frauen antworten, muss aber gestehen, dass ich mich selbst auch nicht super gerne mit finanziellen Angelegenheiten befasse. Finanzen sind sicher nicht mein Hobby! Mein Mann hat hier einen natürlicheren Zugang und interessiert sich auch stärker für Finanzthemen. Trotzdem befasse ich mich bewusst damit, seien es Fragen zur Diversifikation, Fragen rund um die Vermögensverwaltung oder die verschiedenen Möglichkeiten zur beruflichen Vorsorge.

Was hat Sie dazu motiviert?

Stark beeindruckt hat mich die Erkenntnis zum Zinseszinseffekt. Wie sich auch ein kleiner Betrag über die Jahre entwickeln kann, und dass diese Entwicklung nicht linear, sondern exponentiell verläuft. Dieses einfache Prinzip war für mich ein Augenöffner. Wer früh anfängt, kann überdurchschnittlich ernten.

Inwiefern sollen Finanzthemen an der Schule unterrichtet werden?

Von meinen eigenen Kindern und aus meinem Freundeskreis weiss ich, dass viele Schulen auf das Thema sensibilisiert sind und es im Unterricht in verschiedener Form thematisieren. Die Themen Geld, Sparen und Investieren lassen sich gut auch spielerisch anwenden, um das Bewusstsein dafür zu schärfen.

Was sind Ihre persönlichen Tipps an junge Frauen?

Reduziert nicht unbedarft Euer Arbeitspensum, denn das ist ein grosses Risiko für eine Altersarmut. Regelt das Finanzielle vor einer Heirat oder eingetragenen Partnerschaft, auch wenn es vielleicht eine unangenehme Diskussion geben kann. Diese geht vorbei, die Folgen einer schlechten Entscheidung bleiben ein Leben lang.

Wenn Finanzen nicht Ihr Hobby sind, was fasziniert Sie an der Finanzbranche?

Primär weniger das Geld an sich, sondern vielmehr die Möglichkeiten, welche damit einhergehen. Die Dienstleistungen sind vielfältig, und es braucht fachliches Know-how und gleichzeitig viel Menschenkenntnis, um das Vertrauen der Kundinnen und Kunden zu gewinnen. Im Idealfall entstehen daraus langfristige und nachhaltige Beziehungen. Das entspricht auch meinen Wertvorstellungen.

Geld und Geldströme sind letztlich Mittel zum Zweck und können vieles bewirken, auch viel sinnstiftendes. Die Finanzbranche ist vielseitig, man hat mit Menschen zu tun und kann die Kundinnen und Kunden in verschiedenen Themen begleiten, das ganze Leben lang!

Zur Person:

Michèle Etienne ist seit 2019 Präsidentin des Verwaltungsrats der Bernerland Bank, davor war sie während 13 Jahren als Verwaltungsratsmitglied tätig. Mit der von ihr mitbegründeten Firma Innopool AG unterstützt sie seit 1999 Unternehmen bei der Besetzung von Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten sowie in der Strategie- und Organisationsentwicklung. Die promovierte Betriebswirtin ist in Konolfingen aufgewachsen und lebt heute in Schüpfen. Michèle Etienne ist Verwaltungsratsmitglied bei BDO AG und bardusch Schweiz AG sowie Mitglied des Stiftungsrats BVG Sammelstiftung SwissLife.

Als Mitglied verschiedener Verwaltungsräte hat sie früh den Mehrwert von Diversität kennen gelernt. Diese Erfahrung bewog sie 2007 dazu, GetDiversity mitzugründen mit dem Ziel, Unternehmen und Organisationen dabei zu unterstützen, passende Kandidatinnen für Verwaltungs- und Stiftungsräte zu finden.

Autoren

Urs Bachofner
Leiter Content Management
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