Meinungen
14.02.2025

#finance matters: Heute mit Stephanie Köllinger, bekannt als «Vorsorge Steffi»

Frauen spielen eine entscheidende Rolle in der Transformation der Finanzwelt. Sie tragen zu einer inklusiveren, innovativeren und leistungsfähigeren Branche bei. Viele Banken und Finanzinstitute setzen sich für die Gleichstellung der Geschlechter ein und fördern die Karriere von Frauen. Gerade Bankerinnen fungieren als Vorbilder für jüngere Generationen und inspirieren sie, ebenfalls Karrieren in der Finanzwelt anzustreben. Und Finanz-Influencerinnen motivieren junge Menschen, sich mit Themen wie Sparen und Vorsorge auseinanderzusetzen. Zudem sind Bankerinnen und Influencerinnen wichtige Botschafterinnen für das Thema finanzielle Selbstbestimmung, das für Frauen von zentraler Bedeutung ist. 

Die Bankiervereinigung stellt in einer Interviewserie Frauen aus der Finanzwelt vor.

Frau Köllinger, womit haben Sie Ihr erstes Geld verdient?

Als Kind waren mein damals bester Freund und ich ständig im Sammelfieber. Mal sammelten wir Briefmarken, mal Strandmuscheln oder Panini-Bildchen. Eines Tages hatten wir die Idee, Geld zu sammeln. Wir starteten, indem wir Leute auf der Strasse fragten, ob sie uns Geld geben – damit waren wir nicht sehr erfolgreich. In einem zweiten Versuch misteten wir unsere Spielsachen aus, besuchten Kinderbörsen und verkauften den alten Kram. Meine Einnahmen gingen ins Sparschwein, schliesslich wollte ich ja meine Sammlung vergrössern.  

 

Ist Geld wichtig?

Genug Geld zu haben bedeutet mir sehr viel. Geld ist eine Ressource. Geld ist Energie. Geld schafft Möglichkeiten. Zu wenig Geld zu haben verbraucht unglaublich viel Energie. Ständige Sorgen, Stress, Existenzängste, Angst vor der Post, Angst jeden Rappen umdrehen zu müssen. Das ist anstrengend und wirkt sich negativ auf unsere psychische Gesundheit aus. Wenn das Geld kaum ausreicht, die Grundbedürfnisse zu decken, kommen wir in einen ungesunden «Hustle-Modus» und rennen erschöpft im Hamsterrad. Als Sozialarbeiterin habe ich viele Jahre in der Sozialhilfe und bei Pro Senectute gearbeitet. Meine Erfahrung war, dass viele gesellschaftliche Probleme auf einen Mangel an Geld zurückzuführen waren, oder anders gesagt: Viele Probleme könnten mit Geld gelöst werden. Deshalb ja, Geld ist wichtig.

 

Wann wurde Ihnen bewusst, dass finanzielle Selbstbestimmung ein entscheidender Faktor ist?

Mit 15 machte ich ein Au-pair-Jahr in Lausanne. Während drei Tagen in der Woche hütete ich die fünf Kinder der Gastfamilie und schmiss den Haushalt. Neben Kost und Logis gab es dafür CHF 300 pro Monat. Aus heutiger Sicht wenig, aber für mich war das damals viel Geld. Das erste Mal weit weg von zu Hause, musste ich lernen, das Geld so einzuteilen, dass es mir bis Ende Monat reichte. Es war sehr befreiend, selbst zu bestimmen, wofür ich das Geld ausgab, ohne dass ich jemandem Rechenschaft schuldig war.  

 

Warum sparen Sie?

Ich spare, um meine Freiheit und Selbstbestimmung zu bewahren, auch für Zeiten, in denen wenig Geld reinkommt – beispielsweise im Alter oder für den Fall, dass ich arbeitsunfähig werde. Meine Ersparnisse geben mir Sicherheit. Sparen macht Spass. Einen grossen Teil meiner Ersparnisse lege ich für den langfristigen Vermögensaufbau breit diversifiziert an der Börse an. Es ist schön zu sehen, wie das Depot wächst. Aber natürlich dürfen die Freuden im Leben nicht fehlen: Mein Business ermöglicht es mir, von überall aus zu arbeiten. Daher gönne ich mir mit meinen Ersparnissen ab und zu eine Workation.

 

Ab wann sollte frau sich mit dem Thema finanzielle Selbstbestimmung auseinandersetzen?

So früh wie möglich. Der Umgang mit Geld gehört aus meiner Sicht bereits in der Primarschule gelehrt. Geld beeinflusst fast jeden Aspekt unseres Lebens. Unsere ganze Schulzeit werden wir darauf vorbereitet, einen Job zu finden, mit dem wir unseren Lebensunterhalt verdienen. Und doch wissen erstaunlich viele Menschen sehr wenig über die Funktionsweise von Geld.

 

Warum sind Vorsorgethemen gerade für junge Frauen wichtig?

Altersarmut ist weiblich. Eine durchschnittliche Rente aus AHV und Pensionskasse von einer Seniorin beträgt gerade mal CHF 3'030 pro Monat (BFS, 2023). Das ist rund 33% weniger als bei Männern. Das ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass Frauen öfter unbezahlte Care-Arbeit leisten und deswegen häufiger Teilzeit arbeiten. Die wenigsten Menschen in der Schweiz könnten mit nur CHF 3’030 alleine ihre Lebenskosten decken.

Hinzu kommt, dass das 3-Säulen-System aufgrund der demographischen Entwicklungen vor Herausforderungen steht, wobei bis heute unklar ist, wie diese gelöst werden sollen.

Als ehemalige Sozialarbeiterin bei Pro Senectute habe ich mit eigenen Augen gesehen, was Altersarmut bedeutet. Wer wie ich keine Lust darauf hat, die letzten 20 bis 30 Jahre seines Lebens mit Geldsorgen zu leben, sollte so früh wie möglich mit dem Sparen für das Alter beginnen, am besten schon ab dem ersten Lohn.

 

Warum tun sich Frauen eher schwer mit diesem Thema?

Ich bin überzeugt, dass oft das tiefe Selbstvertrauen in Finanzfragen auf die Sozialisierung vieler Frauen zurückzuführen ist. Bis 1988 stand im Ehegesetz, dass der Ehemann für die Finanzen und die Ehefrau für den Haushalt zuständig ist. Eine Frau konnte ohne Zustimmung ihres Ehemannes kein Bankkonto eröffnen oder einen Job annehmen. Ergo wurde vielen Mädchen nichts über Finanzen beigebracht. Sozialisierung hört nicht von heute auf morgen auf. Bis jetzt wirken viele negative Glaubenssätze von damals nach. Ich stelle zum Glück fest, dass sich das langsam ändert und sich immer mehr Frauen aktiv um ihre Finanzen kümmern wollen.

 

Was braucht es, damit mehr Frauen diesbezüglich besser sensibilisiert werden?

In vielen Ländern ist es gang und gäbe, dass man über den eigenen Lohn spricht oder darüber, wie viel das neue Auto gekostet hat. Nicht so in der Schweiz. Hier ist Geld ein eine private Angelegenheit

Ich würde mir wünschen, dass die Schweizerinnen und Schweizer diesbezüglich lockerer werden und endlich anfangen über Geld zu reden. Sei es über den Lohn, über das Familienbudget oder darüber, welche Aktien und ETFs man im Depot hat. So können wertvolles Wissen und Tipps geteilt werden, das trägt automatisch zur Sensibilisierung bei.

In diesem Zusammenhang nehmen unabhängige Schweizer FinanzInfluencer – zu denen ich mich ebenfalls zähle – eine wichtige Rolle ein. Kanäle wie Vorsorge Steffi, MissFinance oder FinanzFabio erreichen auf Social Media zehntausende von Menschen – sie machen unabhängiges Finanzwissen in Form von Posts, Podcasts und Videos frei zugänglich und fördern so den Austausch und Diskussionen über Geldthemen.

Darüber hinaus fände ich die Integration von Finanzbildung in den Lehrplan ebenfalls eine wichtige Massnahme.

 

Was sind ihre Erfahrungen aus der Zeit bei Pro Senectute? Wem droht Altersarmut?

Ich habe während fünf Jahren bei Pro Senectute im Kanton Zug gearbeitet. Meine Erfahrungen decken sich mit den offiziellen Statistiken des Bundes: Altersarmut ist vorwiegend weiblich. Aber auch Ausländerinnen und Ausländer, Personen mit einem tiefen Bildungsstand und Geschiedene und Verwitwete sind überdurchschnittlich oft von Altersarmut betroffen.

Meine Erfahrung ist, dass Altersarmut weitgehend unsichtbar ist. Viele Seniorinnen und Senioren sprechen aus Scham nicht über ihre finanzielle Situation.

Jede fünfte Person in der Schweiz ist gemäss Pro Senectute von Altersarmut betroffen. Erstaunlich finde ich, dass darunter viele Personen sind, die während ihres Erwerbslebens nicht von Armut betroffen waren und gut gelebt haben. Dann kommt die Pensionierung und plötzlich finden sie sich in einer finanziell weniger komfortablen Situation wieder. Sie sehen sich gezwungen in eine günstigere Wohnung zu ziehen, das Auto abzugeben, die Zusatzversicherungen bei der Krankenkasse zu künden, auf Ausflüge zu verzichten. Ich bin sehr dankbar für die Erfahrungen, die ich bei Pro Senectute sammeln durfte.  Sie haben mir die Augen geöffnet und ich hoffe, dass es mir gelingt, mit Vorsorge Steffi vielen anderen Menschen ebenfalls die Augen zu öffnen und zu motivieren, sich frühzeitig um ihre Altersvorsorge zu kümmern.

Zur Person:

Als ehemalige Mitarbeiterin von Pro Senectute Zug hat sich Stephanie Köllinger intensiv mit Altersarmut auseinandergesetzt. Um auf das Thema aufmerksam zu machen und die Menschen zu informieren, startete sie im Januar 2023 einen Instagramkanal, der sich spezifisch an Frauen richtet. Dort erklärt sie als Vorsorge Steffi  Gründe für die Altersarmut, gibt Finanztipps und konkrete Fallbeispiele. Die hohe Relevanz sorgte nicht nur für virale Posts, sondern führte auch dazu, dass Stephanie Köllinger bald darauf den Schritt vom Teilzeitprojekt zum Vollzeit-Start-up mit Sitz in Zug vollzog.

Auf ihrer Website bietet sie Onlinekurse, Webinare und Workshops an. Inzwischen wird sie auch für Vorträge von Gemeinden, Altersheimen und Unternehmen gebucht. Die 33-jährige** ist seit vergangenem Jahr Dipl. Finanzberaterin IAF und zertifizierte Vermögensberaterin IAF.  

Autoren

Urs Bachofner
Leiter Content Management
+41 58 330 62 76