Digitalisierte Wirtschaft: Schweizer Quantensprung zur globalen Mindeststeuer
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In Ihrem Seminar vom 18. März 2022 hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) den rund 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmern die Vernehmlassung vorgestellt, welche der Bundesrat am 11. März 2022 zur globalen Mindestbesteuerung eröffnet hat.
Worum geht es?
Bis heute gilt die Regel, dass ein Unternehmen dort seine Steuern bezahlt, wo es eine physische Präsenz hat. Mit der Digitalisierung ist es aber zunehmend möglich geworden, Produkte und Dienstleistungen in die ganze Welt zu verkaufen, ohne je in einem anderen Staat präsent zu sein. Die OECD hat diese Entwicklung erkannt und will neue Steuerregeln schaffen. Da es «die Digitalwirtschaft» als solche nicht gibt, sondern die Wirtschaft sich insgesamt digitalisiert, genügen der OECD punktuelle Anpassungen nicht. Seit Anfang 2021 zeichnet sich in der OECD/G20 ein Kompromiss ab, der den Fokus weg von den Technologie-Unternehmen auf die grössten und erfolgreichsten Unternehmen der Welt richtet. Für diese wird eine «Marktbesteuerung» eingeführt. Parallel dazu soll weltweit eine «Mindestbesteuerung» von 15% für Gewinnsteuern eingeführt werden. Umgesetzt werden sollen die Pläne schon 2023/2024.
Mit Bezug auf die Schweiz ist wichtig zu wissen, dass sich die Mindestbesteuerung auch in denjenigen Kantonen auswirkt, in welchen der Gewinnsteuersatz 15% oder mehr beträgt. Denn die OECD führt nicht nur einen Mindeststeuersatz ein, sondern auch neue Regeln zur steuerlichen Gewinnermittlung. Diese sind teilweise wesentlich breiter als unsere heutigen Regeln. Betroffen sind nicht nur die Wirtschaftszentren Zürich, Basel und Genf, sondern auch weitere, vor allem Tiefsteuerkantone. Die Mindeststeuerregeln sind so ausgestaltet, dass ausländische Steuerbehörden auf Schweizer Unternehmen zugreifen können, wenn das Steuerniveau unter dem Minimum liegt.
Pläne des Bundesrats zur Umsetzung
Der Bundesrat möchte nun, dass die OECD-Mindestbesteuerung in nationales Recht überführt wird. Von der Anpassung betroffen wären die von der OECD anvisierten Unternehmen mit einem globalem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro jährlich. Für diese Unternehmen soll eine Ergänzungssteuer erhoben werden, sofern die Mindestbesteuerung von 15% in der Schweiz nicht erreicht wird. Zuständig für die Ergänzungssteuer wären die Kantone. Die Mehreinnahmen sollten sie für Massnahmen einsetzen, um den Unternehmensstandort Schweiz attraktiv zu erhalten.
Aufgrund des ehrgeizigen Zeitplans der OECD sollen die neuen Regeln in der Schweiz über eine Änderung der Bundesverfassung und eine temporäre Verordnung des Bundesrates eingeführt werden. Später soll die temporäre Verordnung durch ein Bundesgesetz abgelöst werden.
Einschätzung aus Sicht der Bankiervereinigung
Die Vorschläge des Bundesrates zum Steuerprojekt der OECD scheinen trotz ihrer erheblichen staatspolitischen Tragweite für die Interessenlage der Wirtschaft vernünftig. Die Schweiz sollte neue internationale Standards umsetzen. Die Vorlage ist somit als notwendiges Übel zu betrachten. Sie schützt die Unternehmen in der Schweiz vor künftigen ausländischen Besteuerungsansprüchen und schafft eine höhere Rechtssicherheit. Mehreinnahmen aus der neuen Ergänzungssteuer müssen aber für Massnahmen zur Standortförderung eingesetzt werden.
Das vorgeschlagene Vorgehen einer Anpassung der Bundesverfassung und einer temporären Verordnung des Bundesrates erscheint als gangbarer Weg für eine fristgerechte Umsetzung auf 2024. Das Vorgehen ist auch bekannt aus der Einführung der Mehrwertsteuer im Jahr 1995.
Wichtig ist aus Sicht der Banken vor allem, dass in der Verordnung des Bundesrates die negativen steuerlichen Auswirkungen der neuen Regeln für die Gewinnermittlung möglichst gering gehalten werden. Die SBVg arbeitet dazu aktiv in den Expertengruppen von Bund und Kantonen mit.