Es fehlen noch Teile im Klima-Puzzle
Wenn die Schweiz es ernst meint mit der Umsetzung des Pariser Klimaabkommens, müssen alle Akteure am selben Strang ziehen. Das liesse sich mit der konsequenten Anwendung eines bewährten Instruments einfach erreichen.
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Mit dem Beginn der zweiten Präsidentschaft von Donald Trump ist es noch schwieriger geworden, die tägliche Nachrichtenflut zu bewältigen. Dabei besteht die grosse Gefahr, durch die Aufregung des Moments die grossen Themen wie demographischer Wandel, Klimaerwärmung und Abnahme der Biodiversität aus dem Auge zu verlieren.
Auf dem Gebiet Sustainable Finance wurden inzwischen einige wichtige Schritte gemacht – seien es die Selbstregulierungen in der Anlage- und Hypothekarberatung zur Vermeidung von Greenwashing oder die Berichtspflicht für grosse Unternehmen hinsichtlich deren Klimawirkung und Massnamen zur Transition. Die «Awareness» ist demnach in der Finanzbranche vorhanden, das Kapital ebenfalls: So hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) mit Blick auf die Emissionen im Inland zusammen mit der BCG in einer Studie schon 2021 festgestellt, dass über 90 Prozent des Investitionsbedarfs von jährlich rund CHF 13 Milliarden über Bankkredite, Hypotheken sowie den Kapitalmarkt finanziert werden könnten.
Der Elefant im Raum
Was wäre demnach der nächste notwendige Schritt, damit die Schweiz das Ziel des Pariser Abkommens, zu dem sie sich verpflichtet hat, auch effektiv erreichen kann? Ein dirigistisches Mikromanagement, wie es die EU versucht hat und das nun zurückgebaut wird, ist es wohl kaum. Es scheint an der Zeit, über den Elefanten im Raum zu sprechen: Dass nun die Emissionen bei Produktion und Konsum durch eine (graduelle) Einführung von Kostenwahrheit gezielt angegangen werden. Mit der 2008 eingeführten CO2-Abgabe existiert sogar schon das entsprechende Instrument – nur ist seine Anwendung bis jetzt auf fossile Brennstoffe (Heizöl und Erdgas) beschränkt. Treibstoffe für den Verkehr sind bis heute aussen vor, obwohl der Anteil des Verkehrssektors an den nationalen Emissionen (ohne den internationalen Flugverkehr) 41 Prozent beträgt. Dass sich Bevölkerung und Politik mit dieser Abgabe schwertun, ist verständlich, denn wer mag schon höhere Preise. Andererseits: Wer trägt später die durch den Klimawandel verursachten Schäden? Nicht nur die SBVg ist davon überzeugt, dass die Ausweitung der Anwendung der CO2-Abgabe der beste Weg ist. So hat die OECD zusammen mit der Welthandelsorganisation WTO, dem Internationalen Währungsfonds IMF, der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung UNCTAD sowie der Weltbank erst Ende 2024 in einer Studie verschiedene Politikoptionen untersucht und eine CO2-Abgabe als einzige (!) effektive Massnahme bezeichnet.
Wichtige Nebenbedingung
Bei der Bewertung wird in dieser Studie ein wesentlicher Punkt hervorgehoben, den jeder Ökonom bereits im ersten Semester Mikroökonomie lernt: Um die Verteilungswirkung einer solchen Abgabe zu neutralisieren, ist es notwendig, die Einnahmen gleichmässig rückzuvergüten. So wie es heute schon in der Schweiz über die Krankenkassen geschieht. Eine aktuelle Studie des Deutschen Instituts der Wirtschaft (DIW) unterstreicht diesen Punkt: Je höher die Rückerstattung der Einnahmen an die Bevölkerung, desto höher war der Rückhalt für eine CO2-Abgabe. Höchste Zeit also, das Thema auf die politische Agenda zu setzen!
Schweizer Temperatur seit 1864. Jedes Jahr hat eine andere Farbe. In rot codierte Jahre sind wärmer, blaue kälter als der Durchschnitt der Jahre 1961-1990. Quelle: MeteoSchweiz.