Projektupdate: Buchgeld-Token PoC
Im Newsbeitrag vom 18. September 2024 hat die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) über die Unterzeichnung der Absichtserklärung zur Prüfung der Machbarkeit eines gemeinsam emittierten Schweizer Franken Buchgeld-Tokens durch Schweizer Banken berichtet. Martin Hess, unser Leiter Wirtschaftspolitik, erläutert in diesem Interview Einzelheiten dieses Projekts.
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Lieber Martin, willkommen im Zürcher Newsroom! Nach der Veröffentlichung des Whitepapers zum Buchgeld-Token im März 2023 wurde es still um das Projekt der SBVg. Was ist seither geschehen?
Die Mitglieder der SBVg haben eingehend am Projekt weitergeforscht – siehe Newsbeitrag von Juni 2023. Wir waren mit 16 Banken und anderen Finanzmarktteilnehmern in einem regen Austausch, um Fragen rund um die Einführung von Digitalwährungen zu klären und gemeinsame Grundlagenarbeit zu leisten. Das Whitepaper hat sich dabei als ausgezeichnete Basis erwiesen. Aus diversen Gründen sind wir aber vom zentralen Konzept eines vielschichtigen «Joint Token» abgerückt und orientieren uns verstärkt wieder am heutigen Geldsystem. In dieser Welt gibt es Buchgeld-Token und Stablecoins als digitale Abbilder von Kundeneinlagen und Bargeld.
Stichwort Buchgeld-Token. Letzte Woche hat die SBVg eine Absichtserklärung (MoU) für die Machbarkeitsstudie zur Herausgabe und Übertragung eines Buchgeld-Token angekündigt. Was ist ein Buchgeld-Token überhaupt?
Buchgeld-Token widerspiegeln konzeptionell die Merkmale herkömmlicher Bankeinlagen. Sie werden jedoch auf der Blockchain herausgegeben. Damit werden sie für die Schweizer Finanzindustrie und ihre Kundschaft zu einem Zahlungs- oder Abwicklungsmittel für Anwendungen der digitalen Wirtschaft, die ebenfalls auf der Blockchain basieren. Im Idealfall erlaubt diese technologische Umstellung eine höhere Transaktionsgeschwindigkeit, effizientere Abläufe, niedrigere Transaktionskosten und geringere Gegenparteirisiken. Die eigentliche Innovation liegt aber in der Programmierbarkeit der Token und der damit verbundenen Möglichkeit, diese mit sogenannten Smart Contracts zu verknüpfen. Dies ermöglicht eine automatische Ausführung vorgängig festgelegter Funktionen. Dabei können mehrere Transaktionsschritte innerhalb einer einzigen Transaktion abgewickelt werden.
Kannst Du dazu gerade ein konkretes Beispiel machen?
Eine im Voraus definierte Funktion in einem solchen Smart Contract könnte das Aufladen von Elektrofahr-zeugen während der Fahrt sein. Dabei würde die Autobatterie mittels in der Fahrbahn integrierter Induktionsspulen kontinuierlich mit Energie versorgt werden. Der Smart Contract würde ermöglichen, dass das Fahrzeug in Echtzeit für den konsumierten Strom bezahlt, wobei die Abrechnung automatisch mit dem Stromanbieter erfolgt. In vielen Belangen Zukunftsmusik. (Lacht) Aber genau darum geht es letztlich bei den globalen Bestrebungen für neue Zahlungsmittel. Ein näherliegender Zweck für Banken ist beispielsweise eine Vereinfachung in der Abwicklung von digitalen Wertpapieren. Dies ist ein konkreter Anwendungsfall, der in unserem Proof of Concept (PoC) unter den teilnehmenden Banken getestet werden soll.
Als Aussenstehenden würde man annehmen, dass die Entwicklung von Zahlungsmitteln Aufgabe von Finanzmarktteilnehmern ist. Was ist das Ziel der SBVg mit diesem Projekt?
Der Buchgeld-Token wird als Herzstück für Blockchain-basierte Finanzanwendungen konzipiert und soll als Teil der Schweizer Franken Zahlungsinfrastruktur ein öffentliches Gut darstellen. Es ist von grosser Bedeutung, dass alle Finanzmarktteilnehmer in diese neue Infrastruktur eingebunden werden können. Daher werden die Projektteilnehmer UBS, PostFinance und Sygnum die Ergebnisse des PoC über die SBVg allen Mitgliedern und auch den zuständigen Behörden zugänglich machen. Die SBVg wird zudem die wichtigsten Erkenntnisse der breiten Öffentlichkeit präsentieren. Durch die Einbeziehung aller relevanten Anspruchsgruppen soll die bestmögliche Akzeptanz und breite Nutzung dieses innovativen Zahlungsmittels gefördert werden.
Wann dürften Kundinnen und Kunden mit der Einführung des Buchgeld-Token rechnen, wenn die Machbarkeitsstudie positiv verlaufen sollte?
Ein erfolgreicher PoC bedeutet keinesfalls, dass dereinst ein Buchgeld-Token auch eingeführt wird. Es ist generell Aufgabe der SBVg, sich für optimale Rahmenbedingungen einzusetzen. Diese sind nicht nur regulatorischer, sondern auch wirtschaftspolitischer, steuerlicher und technologischer Natur. Aus diesem Grund möchte die SBVg mit dem Projekt "Digitale Währungen" einen Beitrag zur weiteren Modernisierung des Schweizer Finanzsystems mittels Distributed-Ledger-Technologie leisten. Das ist die dezentrale Speicherung und Verwaltung von Daten und Transaktionen, wie bspw. Blockchain. Ziel ist es, die Dienstleistungen des Schweizer Finanzplatzes im Interesse der Kundinnen und Kunden weiter zu verbessern und dessen Wettbewerbsvorteil in der digitalen Wirtschaft zu sichern.
Es heisst, die Zukunft sei digital. Allerdings werden wir in nicht allzu ferner Zukunft über die Bargeldinitiative abstimmen. Diese will die Annahmepflicht von Bargeld in der Verfassung verankern. Wie passt hier ein Buchgeld-Token ins Bild?
Der Buchgeld-Token als Geldform wird Bargeld aus zwei Gründen genauso wenig konkurrenzieren wie das heutige Bankkonto: Erstens habe ich nicht den Eindruck, dass für Schweizerinnen und Schweizer das Bezahlen für die täglichen Einkäufe eine komplizierte Sache ist und deshalb neue Geldformen erforderlich wären. Bezahlen in der Schweiz ist bereits heute einfach und die Nutzung diverser Zahlungsmittel hängt grösstenteils von der Kundenerfahrung bei der Verwendung von Bargeld oder der Zahlungs-Apps ab. Zweitens: Wer heutzutage Bargeld brauchen will, tut dies unabhängig davon, ob ein Zahlungsmittel auf der Blockchain herausgegeben wird oder programmierbar ist. Fakt ist, die Bargeldverwendung ist bereits heute rückläufig. Ein Buchgeld-Token wird diese Dynamik meines Erachtens nicht beeinflussen.
Wir danken dir, lieber Martin, für deine Ausführungen zum Projekt «digitale Währungen».