Der FTX-Kollaps als Chance für den Schweizer Finanzplatz
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Enthüllungen, die FTX-Liquiditätskrise und ein geplatzter Deal
Enthüllungen eines Branchenportals, ein geplatzter Deal mit dem Konkurrenten Binance und Verwerfungen im Vorfeld haben in kürzester Zeit zu einer Liquiditätskrise und dem darauffolgenden Zusammenbruch der drittgrössten Krypto-Börse geführt. Es zeichnet sich mittlerweile ab, dass grundlegende «Corporate Governance»-Überlegungen in dem ca. 130 Unternehmen umfassenden FTX-Konzern ignoriert wurden und FTX mutmasslich Kundengelder veruntreut hat.
Die finanziellen Folgen der Insolvenz sind nicht zu unterschätzen
Eine breitere Vertrauenskrise für die Krypto-Branche ist heute schon sichtbar. So hat beispielsweise der Bitcoin vergangene Woche massiv an Wert verloren. Noch stärker hat es andere Kryptowährungen wie Solana getroffen, welche massgeblich vom FTX-Wagniskapitalarm «FTX Ventures» mitfinanziert wurden. Der oftmals als «Ethereum-Killer» angepriesene SOL-Token erlebte einen Preissturz von mehr als 50 Prozent und war damit im Zuge des Debakels einer der grössten Verlierer. SOL war ebenfalls die zweitgrösste Beteiligung von Alameda Research und wurde von Sam Bankman-Fried, dem FTX-CEO, stark gefördert. Einem anderen Bericht von «CoinDesk» zufolge hielt Alameda Research ca. eine Milliarde USD in SOL-Token auf der eigenen Bilanz.
Doch nicht nur Krypto-Unternehmen und über FTX handelnde Kleinanleger tragen aus diesen Ereignissen einen massiven Schaden davon. Unter den Geldgebern von FTX, welches in der letzten Wagniskapitalrunde mit ca. 18 Milliarden USD bewertet wurde, befanden sich unter anderem Finanzriesen wie BlackRock oder Seqouia Capital. Letzteres Unternehmen schrieb etwa seine FTX-Investments in Höhe von insgesamt etwa 213 Millionen US-Dollar gänzlich ab. Auch die Singapurer Regierung war über die Temasek Holding in FTX investiert. Hier beläuft sich die Abschreibung des Investments laut einschlägigen Quellen auf etwa 205 Millionen US-Dollar. Und auch der «Ontario Teachers’ Pension Plan», eine Pensionskasse für Lehrkräfte aus der kanadischen Provinz, hat mittlerweile wohl 75 Millionen USD abgeschrieben.
Auch die regulatorische Situation wird sich verschärfen
In Folge des Zusammenbruchs sehen sich Unternehmen im «Digital Assets»-Umfeld weltweit genötigt, ihre Kundinnen und Kunden zu beruhigen und sich so weit wie möglich von FTX zu distanzieren. Auch Schweizer Branchengrössen haben ihren Anspruchsgruppen versichert, dass Vermögenswerte bei diesen vollumfänglich regulierten Instituten sicher verwahrt sind und dass Banken und anderweitig in der Schweiz regulierte Anbieter ein grundlegend anderes Geschäftsmodell als die inzwischen insolvente FTX verfolgen.
Die nationalen und internationalen Regulierungsbehörden wie das BCBS, das FSB, die IOSCO oder die FINMA werden ihre Schlüsse aus den jüngsten Ereignissen ziehen und womöglich eine strengere Regulierung von Krypto-Börsen und anderen «Virtual Asset Service Providern» durchsetzen. Die Tatsache, dass viele dieser Börsen (auch FTX) ihre Dienste einem globalen Publikum zur Verfügung stellen, macht eine Regulierung zwar schwierig, aber nicht unmöglich. So sind Massnahmen von verschärftem Anlegerschutz, bis hin zum Ausschluss von den «FIAT-Gateways», d.h. dem Zugang zu Dollar- oder Euro-Zahlungssystemen denkbar. Die angeschlagene Glaubwürdigkeit des Sektors und die absehbaren regulatorischen Folgen werden sowohl die Compliance-Kosten als auch die Margen im Geschäft mit digitalen Vermögenswerten empfindlich schmälern. Nicht nur der Ruf, den sich die Krypto-Branche in der breiten Öffentlichkeit erarbeitet hat, wurde beschädigt, sondern auch die Reputation bei traditionellen Finanzinstituten, wird gelitten haben. Die FTX-Konkurrentin Binance wird als Folge des Untergangs von FTX einen erheblichen Teil (wenn nicht sogar die Mehrheit) des weltweiten Krypto-Handelsvolumens kontrollieren. Vor dem Hintergrund des Geschehenen, eine für den notwendigen Wiederaufbau des Vertrauens in die Krypto-Märkte denkbar schlechte Ausgangslage.
Für den Finanzplatz Schweiz bietet sich eine grosse Chance
Aus Sicht der Finanzintermediäre in der Schweiz ändert sich an der Haltung gegenüber digitalen Vermögenswerten als Anlageklasse aufgrund der Ereignisse wenig. Nach wie vor bahnen sich eine Vielzahl vielversprechender Innovationen an, welche Effizienzsteigerungen in den traditionellen Finanzmärkten versprechen und die Tokenisierung sowohl bankfähiger als auch nicht bankfähiger Vermögenswerte ermöglichen werden. Im Zusammenspiel mit der Forschung rund um digitale Währungen, sowohl seitens Zentralbanken als auch seitens des Privatsektors, ist Optimismus für die Zukunft einer konsolidierten und verlässlich regulierten «Digital Asset»-Branche erlaubt. Gerade regulierte Akteure und insbesondere Schweizer Banken können sich in Zukunft umso deutlicher von der unregulierten und unbeaufsichtigten Konkurrenz abheben und die Grundprinzipien des Swiss Banking im Sinne der Kundinnen und Kunden auch in die Welt der digitalen Vermögenswerte hineintragen – auf dem Fundament vorausschauender Regulierung und einer strengen Durchsetzung von Anlegerschutzvorschriften und internationalen Standards zur Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung in der Schweiz.
Die Schweizerische Bankiervereinigung wird ihre Mitglieder auch weiterhin bei der Gestaltung optimaler Rahmenbedingungen - sowohl national als auch international - begleiten und sie wie bereits früher geschildert, beim fortlaufenden «Mainstreaming» von digitalen Vermögenswerten unterstützen. Für den gesamten Finanzplatz bieten die Ereignisse um FTX nun eine Chance, die Weiterentwicklung des Ökosystems für digitale Vermögenswerte mit Hochdruck weiterzuentwickeln, und die Position der Schweiz als globales Zentrum für die sichere und vertrauenswürdige Verwaltung und Verwahrung von traditionellen und nicht-traditionellen Vermögenswerten zu festigen.