Meinungen
16.12.2022

«Nur ein gemeinsamer Weg führt zum Erfolg»

Roger Wisler, Leiter des Open Banking-Fachbereichs bei der Zürcher Kantonalbank und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Open Banking der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg), gibt einen Überblick, was in den letzten Monaten in Sachen Open Finance in der Schweiz passiert ist und wohin die Reise in den nächsten Monaten gehen könnte.

Beitrag vonRichard Hess
Roger Wisler

Herr Wisler, auf dem Finanzplatz ist häufig von Open Finance die Rede. Was ist damit gemeint und welchen Stellenwert hat Open Finance inzwischen in der Schweiz?

Roger Wisler: Im Kern geht es bei Open Finance darum, neue digitale Innovationen für Kundinnen und Kunden anzubieten. Open Finance meint die Vernetzung von Daten, Funktionen und Services von Banken und Finanzdienstleistern mit Drittanbietern. Die Schweiz verfolgt einen marktgetriebenen Open-Finance-Ansatz. Dadurch sind Branchenorganisationen – wie zum Beispiel die OpenWealth Association – entstanden, um Anwendungen und Standards voranzutreiben. Ob das genügt, wird sich zeigen. Jedenfalls entsteht aus dieser Entwicklung ein gewisser Druck auf die Schweizer Finanzbranche, sich strategisch mit dem Thema zu befassen.

Was meinen Sie damit?

Der Bundesrat hat zum Thema Digital Finance diesen Februar einen Bericht veröffentlicht und Handlungsfelder für die kommenden Jahre definiert. Im Bericht wird beschrieben, dass die Entwicklungen im Bereich Open Finance eng verfolgt werden. Das politische Anliegen ist es, die internationale Positionierung des Schweizer Finanzplatzes als innovativen, nachhaltigen Hub für Finanzdienstleistungen weiter zu stärken. Das heisst: Die Behörden erwarten von der Branche zusätzliche Ergebnisse und Fortschritte für offene Geschäftsmodelle, so dass die Interessen von Kundinnen und Kunden und Anlegerinnen und Anlegern genügend berücksichtig werden, so wie es andere Finanzmärkte auch vorsehen.

Und wie ist die Situation aus Sicht der Banken?

Grundsätzlich positiv. Auch aus Sicht der Schweizerischen Bankiervereinigung verspricht die marktbasierte Öffnung basierend auf Kundenbedürfnissen und klaren Use Cases gegenüber einer regulatorisch vorgeschriebenen Öffnung die nachhaltigeren und wirkungsvolleren Ergebnisse.

Was sind denn konkrete Beispiele für solche Anwendungen? 

Stellen Sie sich beispielsweise vor, Sie möchten ein Haus oder eine Immobilie kaufen. Die richtige Immobilie zu finden, wird heute dank einer Vielzahl von Immobilienplattformen unterstützt. Möchte ein Kunde jedoch ein verbindliches Angebot für eine Hypothek einholen, ist dies in der Regel zeitaufwändig. So führt jedes Finanzinstitut ein spezifisches Angebot und ein individuelles Beratungsgespräch durch. Der Kunde muss verschiedene Unterlagen einreichen. Jedes Finanzinstitut klärt die finanzielle Situation der Kundin bzw. des Kunden ab und bewertet unter anderem die Lage und den Zustand der Immobilie. Hier kann Open Banking ein wichtiger Lösungsansatz sein, indem Bankdaten auf Kundenwunsch an andere relevante Akteure freigegeben bzw. weitergeleitet werden. Im Gegenzug können Finanzinstitute aber auch bei Immobilienplattformen kooperieren, um so direkt Finanzierungsangebote für potenzielle Kundinnen und Kunden platzieren zu können.

Was wären weitere Beispiele?

Es können auf Kundenwunsch auch Konto- oder Transaktionsdaten für Softwarelösungen von Drittanbietern wie etwa FinTechs oder WealthTechs zur Verfügung gestellt werden, wie das etwa heute schon für Finanzsoftware Realität ist. Beim so genannten Multibanking können Banken zudem auf Wunsch ihrer Kundinnen und Kunden eine weitere Bankbeziehung und die Drittbankkonten in deren eigenem E-Banking abbilden. Wenn man die Geschäftsmodelle auf Open Finance erweitert, so sind auch weitere Finanzinstitute wie beispielsweise Versicherungen, Vorsorgeeinrichtungen und Pensionskassen tangiert.

Können Sie den Multibanking-Ansatz noch erläutern?

Multibanking ermöglicht es Bankkundinnen und Bankkunden, mehrere Konten über eine einzige Plattform zu verwalten. Das kann beispielsweise auch über die Mobile Banking App oder das E-Banking der Hausbank erfolgen. Technisch gesehen ist Multibanking ein Open-Banking-Anwendungsfall, bei dem Anwendungsprogrammierschnittstellen (APIs) genutzt werden, um Daten von verschiedenen Instituten effizient zusammenzuführen. Die Funktionen variieren je nach Umfang einer bestimmten Multibanking-Lösung. Zu diesen Funktionen gehören beispielsweise das Abrufen von Kontoständen und zugehörigen Kontotransaktionsdaten oder Zahlungsanweisungen für Konten Dritter.

Was werden die nächsten Schritte der Branche hierzulande sein?

Das Institut für Finanzdienstleistungen Zug (IFZ) hat den Schweizer Markt in ihrer Open-Banking-Studie 2022 analysiert. Bestandteil war auch eine Umfrage bei über 30 Retailbanken, ob sich die jeweilige Bank mit eigenen API-Schnittstellen gegenüber Drittanbietern geöffnet hat oder eine Öffnung in den nächsten Jahren plant. Tatsächlich ist demnach bei einer Mehrheit diese Öffnung bereits erfolgt oder zumindest in Planung. Das heisst, es geht voran. Dies beobachten wir auch in der Arbeitsgruppe bei der Schweizerischen Bankiervereinigung.

Innovation nur um der Innovation willen, scheint nicht erfolgsversprechend. Existiert für diese neuen Lösungen denn überhaupt ein Markt oder ein Kundenbedürfnis?

Ja, denn Open-Banking-Geschäftsmodelle tragen zu einem positiven Kundenerlebnis bei. So werden Kundinnen und Kunden häufig von vielen unterschiedlichen Finanzdienstleistern – beispielsweise Banken, Versicherungen, Pensionskassen, FinTechs oder auch branchenfremden Dienstleistern – gleichzeitig bedient. Eine Vereinfachung und Vernetzung dieser Akteure im sogenannten Ökosystem ist darum eindeutig ein Interesse der Kundschaft, da ihnen diese Netzwerke Mehrwert bieten.

Welche Kooperationen existieren heute schon?

Einige. Meine Arbeitgeberin, die Zürcher Kantonalbank, engagiert sich beispielsweise aktiv in der Standardisierung der API-Schnittstellen für den Schweizer Finanzplatz. Die Arbeitsgruppen innerhalb Swiss Fintech Innovations oder OpenWealth Association arbeiten an Open Finance Use Cases, sodass Lösungen realisiert werden können. Nur ein gemeinsamer Weg aller Partnern führt zum Erfolg.

Die für Kundinnen und Kunden relevanteste Frage zum Schluss: Wie sicher ist dieser Datenaustausch mit Dritten?

Sehr sicher. Denn hier kommen die bereits erwähnten API, also die standardisierten Schnittstellen, zum Zuge, worüber die eigentlichen Kundendaten kontrolliert und an die Drittanbieter gesichert und effizient übertragen werden können. Die Gewährleistung von Datenvertraulichkeit und Datensicherheit mit den erforderlichen technologischen Sicherungsmassnahmen steht dabei im Mittelpunkt.

(Ausgangspunkt für dieses Interview war ein Blogbeitrag, den die Zürcher Kantonalbank im Oktober 2022 unter www.zkb.ch/blog veröffentlicht hat.)

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Autoren

Richard Hess
Leiter Digital Finance
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