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04.07.2024

Amtshilfe in Steuersachen – Bitte keinen Abbau des Rechtsschutzes! 

Rechtssicherheit geniesst in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Dazu gehört der Rechtsschutz für Personen in Verfahren. Mit einer minimal gehaltenen Mitteilung teilten die Bundesbehörden am 19. März 2024 mit, dass sie im Austausch mit ausländischen Behörden unbetroffene Personen nun nicht mehr schützen. Ist das rechtens? 

Schon seit Jahren tauscht die Schweiz Informationen mit den Steuerbehörden anderer Länder aus, wenn diese die Schweiz anfragen. Den sogenannten Standard der OECD «OECD 26» für diesen Austausch auf Anfrage hat die Schweiz bereits im Jahr 2009 übernommen. So weit, so gut.  Nur scheinen die Schweizer Behörden diesen Standard inzwischen still und leise auszuweiten und den Rechtsschutz für unbetroffene Dritte auszuhöhlen. Um was geht es? 

Prinzip der personellen Spezialität 

In einer diskret gehaltenen Mitteilung des Staatssekretariates für internationale Finanzfragen (SIF) vom 19. März 2024 wurde mitgeteilt, dass die OECD ihren Kommentar zu OECD 26 ergänzt habe1. Die Ergänzung erlaubt den Staaten explizit die Übermittlung und Verwendung der Daten von Personen, die in der Anfrage gar nicht genannt werden – voraussichtlich unbeteiligte Dritte. Die Schweiz hat bisher diesen Dritten – z.B. dem Bankmitarbeiter, dessen Namen auf dem Beleg steht oder dem Zahnarzt, dessen Rechnung vom Konto ausbezahlt wurde – einen Rechtsschutz gewährt und ihre Informationen nicht übermittelt, ausser es wurde ausdrücklich danach gefragt. So konnte verhindert werden, dass die Angaben Tausender Personen, welche für die Untersuchungen nicht relevant waren, geschützt bleiben konnten. Im Fachjargon der Juristen nennt man dies das Prinzip der «personellen Spezialität». Diese Praxis der Schweiz wurde letztmals im Jahr 2020 durch einen Entscheid des Bundesgerichts bestätigt. 

Praxisänderung ohne Rechtsgrundlage? 

Nun teilte das SIF am 19. März 2024 mit, die Praxis werde «präzisiert» und die neueste Lesart der OECD per sofort angewendet. Mit anderen Worten bedeutet dies, dass die Behörden die personelle Spezialität per sofort aufgegeben wollen, weil die OECD ihren Kommentar geändert hat.  

Dazu muss man allerdings wissen: Der Kommentar ist nicht die verbindliche oder direkt anwendbare Rechtsgrundlage. Rechtlich massgebend in der Schweiz sind unsere Doppelbesteuerungsabkommen (DBA), in welchen die Amtshilfe vorgesehen ist, sowie das geltende Steueramtshilfegesetz. Diese Grundlagen sind älter als die neueste Kommentierung der OECD und untersagen die Übermittlung von Informationen nicht betroffener Personen. Das Büro der OECD in Paris kann nicht auf dem Interpretationsweg das geltende Schweizer Recht ändern. Wenn die Schweiz das Prinzip der personellen Spezialität aufgeben möchte – und davon wird hier natürlich abgeraten – dann müsste sie zuerst ihre DBA neu verhandeln und das Steueramtshilfegesetz anpassen. In einem jüngsten Entscheid aus dem Jahr 2023 stützt das Bundesgericht diese Sichtweise. Es hat sich explizit gegen eine dynamische Verwendung des OECD-Kommentars ausgesprochen.   

Fazit 

Die schweizerischen Behörden werden ihre «Präzisierung» der Praxis genau erklären müssen, ob sie tatsächlich rechtens ist oder nicht. Eine parlamentarische Anfrage dazu ist bereits hängig2. Die Schweiz sollte ihre Prinzipien zum Rechtsschutz nicht ungerechtfertigt über Bord werfen, sondern hochhalten. 

SteuernInsight

Autoren

Urs Kapalle
Leiter Tax Strategy
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