«Bankdienstleistungen sind für Personen und Unternehmen unerlässlich» - Martin Hess über Zahlen und Fakten zur BAK Economics Studie
Jedes Jahr erstellt BAK Economics im Auftrag der Schweizerischen Bankiervereinigung und des Schweizerischen Versicherungsverbands die Studie «Volkswirtschaftliche Bedeutung des Schweizer Finanzsektors». So trocken die Materie klingt, so überraschend vielseitig und aufschlussreich sind die Ergebnisse – darüber sprechen wir mit Dr. Martin Hess, Leiter Wirtschaftspolitik der Schweizerischen Bankiervereinigung.
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Martin, die Resultate der aktuellen Studie unterstreichen einmal mehr die zentrale Rolle des Bankensektors in der Schweizer Volkswirtschaft. Kannst du uns «in a nutshell» mitteilen, worauf sich das zurückführen lässt?
Die Banken sind von grosser Bedeutung, weil sie einen reibungslosen Zahlungsverkehr sicherstellen, eine effizientere Kapitalallokation ermöglichen und finanzielle Risiken für ihre Kunden reduzieren. Dienstleistungen von Banken sind somit für Personen und Unternehmen unerlässlich. Beispielsweise ist die Qualität der Dienstleistungen oder auch Finanzierungsbedingungen in der Schweiz international hervorragend. Entsprechend hoch ist der wirtschaftliche Mehrwert der Bankenbranche. Der Anteil ihrer Wertschöpfung am BIP lag 2023 bei 5.4%. Der Anteil der Bankdienstleistungen an den Dienstleistungsexporten belief sich auf 16%. Fast 160'000 Vollzeitbeschäftigte verdienen ihr Geld direkt mit der Bereitstellung von Bankdienstleistungen.
Grafik: BAK Economics. Quelle: BAK Economics
Neben der Wertschöpfung der Banken erwähnt die Studie auch indirekte Effekte. Was versteht man darunter?
Die indirekten Effekte stammen von Produkten und Dienstleistungen, welche die Banken als Vorleistungen von anderen Branchen beziehen. Wichtige Vorleistungen sind beispielsweise IT- oder Beratungsleistungen. Aber auch ganz andere Dienstleistungen, an die man weniger im Zusammenhang mit der Banktätigkeit denkt, wie beispielsweise die Gebäudereinigung. 2023 waren das 24.8 Milliarden Franken – das ist fast 60% der direkten Wertschöpfung der Banken. Für jeden Franken Wertschöpfung im Bankensektor werden in anderen Wirtschaftszweigen zusätzlich 58 Rappen generiert. Das ist volkswirtschaftlich bedeutend.
Hat diese Wertschöpfung auch Einfluss auf die Steuerbeiträge?
In der Tendenz ja. Grosse Branchen haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Einkommenssteuern zahlen. Darüber hinaus fallen im Finanzsektor durch die wirtschaftliche Aktivität hohe Steuerabgaben in Form von Verrechnungssteuern, Mehrwertsteuer oder Stempelabgaben an. Diese finanzmarktbezogenen Steuern beliefen sich 2023 auf 9,1 Milliarden Franken. Mit diesem Betrag liessen sich alle Bildungs- und Forschungsabgaben des Bundes finanzieren und es bliebe immer noch eine Milliarde übrig. Zusätzlich tragen die Gewinnsteuern der Banken erheblich zu den Staatseinnahmen bei.
In den Bankensektor zu investieren, ist also lohnender als allgemein angenommen?
Absolut, wenn wir voraussetzen dürfen, dass das Bankgeschäft in der Schweiz auch in Zukunft profitabel betrieben werden kann. Für die Erwirtschaftung von Gewinnen ist wichtig, dass die Banken ihre Kosten im Griff haben. Gleichzeitig braucht es jedoch einen regulatorischen Rahmen, der ein profitables Bankgeschäft überhaupt zulässt. Dies kommt der Allgemeinheit in Form von Steuern direkt zugute. Zudem hängt die Stabilität der Banken auch direkt von ihrer Fähigkeit zur Erzielung von Gewinnen ab, denn diese sind Voraussetzung zum Aufbau von Eigenkapital. Für mich ist es erstaunlich, dass solche Argumente in der politischen Debatte kaum hörbar sind.
Wir sehen, dass die reale Wertschöpfung bei den Banken innerhalb eines Jahres um 10% gesunken ist. Auf was beruht diese Entwicklung?
Das ist eine für mich überraschend hohe Zahl, denn im gleichen Zeitraum haben Banken Arbeitsplätze aufgebaut, und die nominale Wertschöpfung ist um 3,2% gestiegen. Der Grund liegt im Deflator, einer technischen, nicht beobachtbaren Grösse, welche die Teuerung bei Bankdienstleistungen misst. BAK Economics erklärt ihre Schätzung der Teuerung damit, dass sich die Zinsmargen nach einer langen Tiefzinsphase normalisiert haben.
Die Studie zeigt, dass Versicherungen pro Arbeitskraft fast doppelt so viel an Bruttowertschöpfung erzielen wie der Bankensektor. Warum ist das so?
Ich sehe hier im Wesentlichen zwei Gründe. Einerseits ist der Kapitaleinsatz pro Mitarbeitenden bei den Versicherungen, insbesondere bei den ausserordentlich grossen Rückversicherungen, deutlich höher. Auf der anderen Seite zeigt die Studie, dass die indirekten Effekte bei den Arbeitskräften relativ hoch, bei der Wertschöpfung aber relativ tief ist. Dies legt die Vermutung nahe, dass Versicherungen Tätigkeiten in andere Branchen auslagern, die oft eine tiefe Produktivität aufweisen.
Welche Bedeutung hat das grenzüberschreitende Geschäft für die Schweizer Wirtschaft?
Eine weitaus grössere, als vielen bewusst ist. Bei den Exporten denkt man sofort an Chemie, Pharmazie, Maschinen oder Tourismus. Tatsächlich sind Bankdienstleistungen nach den Lizenzgebühren die zweitgrösste Ertragsquelle aus Dienstleistungsexporten. Bei den Nettoexporten, also abzüglich Importe, liegen Bankdienstleistungen klar auf dem ersten Platz. Dass die Importe von Bankdienstleistungen aus dem Ausland klein sind, überrascht mich wenig. Ich kenne niemanden, der sich seinen Lohn in der Schweiz auf ein Konto im Ausland überweisen lässt.