Keine Wettbewerbsbeschränkungen durch SBVg-Nachhaltigkeitsrichtlinien
Auf Anfrage der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) hat das Sekretariat der Wettbewerbskommission (WEKO) eine kartellrechtliche Beurteilung der beiden SBVg-Richtlinien zu Sustainable Finance vorgenommen. Das WEKO-Sekretariat kommt zum Schluss, dass keine Wettbewerbsabrede vorliegt. Die SBVg nimmt dies mit Befriedigung zur Kenntnis und sieht die Selbstregulierung gestärkt.
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Im Januar 2023 setzte die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg) zwei neue Selbstregulierungen im Bereich Sustainable Finance in Kraft, konkret die «Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung» und die «Richtlinien für Anbieter von Hypotheken zur Förderung der Energieeffizienz». Damit hat die SBVg Mindestvorgaben zur Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung sowie in der Hypothekarberatung etabliert. Beide Richtlinien sind für Mitglieder der SBVg verbindlich.
Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung
- Der Fokus liegt auf der Beratung als Kernelement der Wertschöpfungskette. Kundinnen und Kunden sollen ihre Präferenzen in Bezug auf die Nachhaltigkeit äussern, das damit verbundene Angebot verstehen und informierte Entscheidungen treffen können.
- Die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundinnen und Kunden werden erhoben und die angebotenen Produkte und Dienstleistungen damit in Einklang gebracht.
- Nebst Anpassungen der Prozesse in der Anlageberatung und Vermögensverwaltung ist eine angemessene Aus- und Weiterbildung der Mitarbeitenden in Bezug auf die Nachhaltigkeit erforderlich.
Richtlinien für Anbieter von Hypotheken zur Förderung der Energieeffizienz
- Die Richtlinien erfassen die persönliche und digitale Beratung von Privatpersonen mit zu finanzierenden, selbst bewohnten Einfamilien- und Ferienhäusern.
- Die Eigentümerinnen und Eigentümer sollen motiviert werden, sich mit den Themen Werterhalt und Energieeffizienz ihrer Liegenschaft auseinanderzusetzen und auf diese Weise für energetische Sanierungen sensibilisiert werden
- Im Rahmen der Beratung zur Immobilienfinanzierung wird der absehbare Erneuerungsbedarf einer Liegenschaft thematisiert. Ebenso werden die Kundinnen und Kunden über verfügbare Fördermassnahmen für Gebäudesanierungen informiert und bei Bedarf an unabhängige Fachstellen verwiesen. Zudem stellen die Mitglieder eine regelmässige Weiterbildung ihrer Mitarbeitenden sicher.
Der Schweizerische Gewerbeverband (sgv) und der Hauseigentümerverband Schweiz (HEV) machten gegenüber der SBVg und in den Medien wettbewerbsrechtliche Vorbehalte gegenüber diesen Selbstregulierungen geltend, insbesondere gegenüber den «Richtlinien für Anbieter von Hypotheken zur Förderung der Energieeffizienz». Namentlich wurden Bevormundung, Diskriminierung sowie ein Renovationszwang befürchtet. Die SBVg hat diese Vorwürfe mehrmals deutlich zurückgewiesen. Kundinnen und Kunden sollen mit einer hochstehenden Beratung unterstützt werden, informierte Entscheide für oder gegen mehr Nachhaltigkeit bzw. Energieeffizienz zu fällen. Nur darum geht es. Insofern stellen die beiden Richtlinien keine Einschränkung des Wettbewerbs, sondern vielmehr eine Erweiterung des Dienstleistungsangebots dar, auf welches die Kundinnen und Kunden im Übrigen ohne Weiteres verzichten können. Zur Klärung des Sachverhalts hat die SBVg das WEKO-Sekretariat im Rahmen einer Beratung nach Art. 23 Abs. 2 des Kartellgesetzes um eine kartellrechtliche Beurteilung der beiden Richtlinien gebeten.
In ihrer gestern publizierten Stellungnahme hat das WEKO-Sekretariat nun festgehalten, dass es – gestützt auf eine vertiefte Analyse der Richtlinien sowie aufgrund von Marktbeobachtungen – bereits an einer sogenannten Wettbewerbsabrede im Sinne von Art. 4 Abs. 1 des Kartellgesetzes fehlen dürfte, da nicht von einer Wettbewerbsbeschränkung auszugehen sei. Selbst wenn zudem je eine Wettbewerbsabrede vorliegen sollte, handelte es sich mutmasslich nicht um eine unzulässige Wettbewerbsabrede gemäss Art. 5 Abs. 1 des Kartellgesetzes, da nicht davon auszugehen wäre, dass die Wettbewerbsabrede zu einer erheblichen Wettbewerbsbeeinträchtigung führt. Insbesondere wird betont, dass die beiden Richtlinien für Kundinnen und Kunden zu keiner Einschränkung des Angebots führen, da sich die darin enthaltenen Vorgaben darauf beschränken, die Kundinnen und Kunden mit dem Thema Nachhaltigkeit vertraut zu machen und sich diese nicht zu einzelnen Produkten, Dienstleistungen, Preisen oder Ähnlichem äussern. Zudem wird hervorgehoben, dass die Energieeffizienz-Richtlinien keine einschränkenden Vorgaben zur eigentlichen Finanzierungstätigkeit der Hypothekaranbieter enthalten. Auch sieht das WEKO-Sekretariat das Angebot an grünen Hypotheken derzeit stark am Steigen; damit geht nachhaltiges Bauen und energetisches Sanieren vielfach mit einem für Kundinnen und Kunden vorteilhaften Zinsabschlag einher. Schliesslich betont das WEKO-Sekretariat, dass die Richtlinien als Mindeststandard konzipiert sind, deren konkrete Umsetzung von den geschäftspolitischen Entscheidungen jedes einzelnen Instituts abhängen.
Die SBVg nimmt die nun vorliegende Beurteilung des WEKO-Sekretariats mit Befriedigung zur Kenntnis. Indem die Themen Nachhaltigkeit (Anlageberatung und Vermögensverwaltung) bzw. Energieeffizienz (Hypothekarberatung) systematisch in die Beratungsgespräche mit Privatkundinnen und -kunden einfliessen, kann die Branche auch weiterhin einen konkreten Beitrag zur Erreichung der Pariser Klimaziele leisten.