Programmierbares Geld als öffentliches Gut? Die SBVg intensiviert ihre Arbeiten
Social Bookmarks
«Digitalgeld […] bietet einen potenziell grossen sozialen und wirtschaftlichen Mehrwert. Es ist deshalb nicht eine Frage, ob, sondern nur wann und in welcher Form es eingeführt und breit verwendet wird.» So hat sich die SBVg vor einem Jahr in einem Diskussionspapier geäussert. Seither wird immer klarer, welche Formen breit verwendetes Digitalgeld annehmen wird: Auf Algorithmen basierende Kryptowährungen bleiben hochgradig volatil und sind deshalb bei Regulatoren unbeliebt und für den Zahlungsalltag ungeeignet. Auf werthaltigen Aktiven basierende, aber unregulierte Stablecoins halten ihre Versprechen im Krisenfall nicht. Digitale Zentralbankwährungen für das breite Publikum wiederum sind eine geldpolitische Knacknuss und schaffen Stabilitätsrisiken. Die Zukunft gehört somit digitalen Währungen, die von regulierten Anbietern herausgegeben werden, wie etwa tokenisiertes Buchgeld von Banken, oder spezifisch einsetzbare Währungen z.B. für die Abwicklung innerhalb von Handelssystemen.
Politische Marschrichtung: Regulierung von Stablecoins
Das Financial Stability Board (FSB) erachtet unregulierte, globale Stablecoins und Märkte für Kryptoassets generell als potenzielles Risiko für die Stabilität des globalen Finanzsystems. Aufgrund ihrer stetig wachsenden Kapitalisierung, ihrer strukturellen Schwachstellen und ihrer zunehmenden Verflechtung mit dem traditionellen Finanzsystem könnten sie einen Punkt erreichen, an dem sie eine Bedrohung darstellen. Das FSB treibt in Zusammenarbeit mit Standardsetzungsgremien die Arbeit an der Regulierung und Beaufsichtigung von Stablecoins voran. Es analysiert auch die Auswirkungen des sich rasch entwickelnden Themenfelds «decentralized finance» (DeFi), in dem Stablecoins eine zentrale Rolle spielen.
Zentrales Element der absehbaren Regulierung ist die Vorgabe, dass die Herausgeberinnen von breit verfügbaren Stablecoins reguliert sind und entsprechend beaufsichtigt werden, um transparent die Werthaltigkeit der ihnen zugrundeliegenden Aktiven sicherstellen zu können. Nur so ist es möglich, das breite Publikum vor Wertschwankungen der digitalen Bezahlmittel zu schützen und so dessen Akzeptanz und rasche Verbreitung zu fördern. Zentralisierte Kryptobörsen und Anbieter von gehosteten Wallet-Diensten sollen ebenfalls stärker reguliert werden.
Eine der bisher eindrücklichsten Illustrationen für die Stabilitätsrisiken von unregulierten Stablecoins war der Zusammenbruch von TerraUSD Anfang Mai 2022. Das Vertrauen in die Währung, welche die Parität mit dem US-Dollar versprach, ist innert Minuten erodiert. Der Vorfall hat Schockwellen durch die gesamte Welt der digitalen Vermögenswerte gesandt. Die Besorgnis der Finanzaufsichtsbehörden über die zunehmenden Risiken der Stablecoin-Branche für die traditionellen Märkte wurde neu entfacht, da sie immer stärker in die herkömmlichen Zahlungs- und Bankensysteme integriert wird.
Kryptowährungen mit unerfüllten Versprechen
Nicht nur Stablecoins, sondern auch auf Algorithmen basierende Kryptowährungen haben jüngst eine rasante Talfahrt hinter sich. Nachdem sich «Platzhirsche» wie Bitcoin als breit verwendetes Zahlungsmittel bislang nicht haben durchsetzen können, werden sie nun auch von höchster Stelle als untaugliche Wertaufbewahrungsmittel disqualifiziert. EZB-Chefin Christine Lagarde schätzt Kryptowährungen sogar als «wertlos» ein.
Ihr Direktoriumskollege Fabio Panetta anerkennt die wachsende Nachfrage nach dezentralen Zahlungsmitteln mit neuen Funktionalitäten. Er räumt zudem ein, dass wenn Zentralbanken und beaufsichtigte Intermediäre diese Nachfrage nicht befriedigen können, es andere tun werden. Damit schlägt er die Bresche für das EZB-Projekt des digitalen Euro, der sich zurzeit in einer Explorationsphase befindet.
Er stellt die Einleitung einer dreijährigen Realisierungsphase ab Ende 2023 in Aussicht. Dabei sollen die geeigneten technischen Lösungen und Geschäftsvereinbarungen, die für die Bereitstellung eines digitalen Euro erforderlich sind, entwickelt und getestet werden. Im raschesten Fall kann somit der digitale Euro für die breite Anwendung anfangs 2027 eingeführt werden.
Was macht die Schweiz?
Vor dem Hintergrund der rasch wachsenden Nachfrage nach Digitalwährungen haben sich Bundesrat und Schweizerische Nationalbank (SNB) bereits relativ früh damit befasst. Sehr rasch kamen sie zum Schluss, dass im Moment kein Bedarf für einen von der SNB herausgegebenen digitalen Franken für das breite Publikum besteht. Dies hiesse jedoch auch, dass die Schweiz dereinst ohne digitalen Schweizer Franken mit Zugang für alle und besonderen Funktionalitäten dastehen würde, was erhebliche Standortnachteile mit sich bringen könnte.
Bereits im Januar haben wir uns deshalb in einem Meinungsbeitrag geäussert, dass innovative Geschäftsmodelle im Zahlungsverkehr und im Geschäft mit digitalen Vermögenswerten wertstabile Zahlungsmittel mit speziellen Funktionalitäten erfordern. Deshalb tun wir gut daran tun, uns zu überlegen, welches Design wir in der Schweiz in Zukunft sehen möchten.
Die Idee einer privaten Stablecoin-Emission von einem beaufsichtigten Intermediär gewinnt aus zwei Gründen an Akzeptanz bei den Behörden und in der Branche: Einerseits aufgrund der Währungsstabilität ohne Inkaufnahme der Nachteile einer digitalen Zentralbankwährung, andererseits weil unregulierte Digitalwährungen aus Vertrauensgründen kaum eine Zukunft auf Akzeptanz und Verbreitung als allgemeines Bezahlmittel haben.
Aktuell befasst sich die SBVg deshalb prioritär mit den Möglichkeiten von digitalen Geldformen und mit der optimalen Ausgestaltung derselben. Ein zukunftsfähiges Bezahlmittel soll gegenüber dem Schweizer Franken stabil, frei konvertierbar und möglichst offen sein und von einem breiten Publikum genutzt werden können. Die Bankenbranche klärt ab, ob und wie sie in die Konzeption eines für die Schweizer Wirtschaft der Zukunft wichtigen programmierbaren Zahlungsmittels als öffentliches Gut eingebunden sein soll.