Die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS beweist die Stärke des Schweizer Finanzplatzes
«Durch ihr schnelles Handeln haben die Schweizer Behörden und die UBS sicherlich eine Ansteckung verhindert», kommentiert Marcel Rohner, Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung, die Übernahme der Credit Suisse.
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Dieses Interview wurde von Finance.Swiss geführt und am 22.05.2023 publiziert.
Die Silicon Valley Bank, die Credit Suisse und zuletzt die First Republic Bank mussten allesamt gerettet werden oder gingen zugrunde. Und in den USA gibt es Gerüchten zufolge weitere gefährdete Institute. Ist die Aussage, eine globale Finanzkrise sei abgewendet worden, aus Ihrer Sicht nach wie vor richtig?
Marcel Rohner: Wegen der stark steigenden Zinsen steht das Finanzsystem zweifelsohne unter erheblichem Stress. In den USA ist eine Art Finanzinstabilitätskrise entstanden, die sich langsam über die restliche Welt ausgebreitet hat. Von daher haben die Schweizer Behörden und die UBS durch ihr schnelles Handeln sicherlich eine Ansteckung verhindert, die möglicherweise zu einer schweren Störung des Finanzsystems – oder sogar zu einer globalen Finanzkrise – geführt hätte.
Nach den Ereignissen der letzten Woche fragen sich manche Beobachter, ob globale Grossbanken überhaupt noch gebraucht werden – vor allem in einem kleinen Land wie der Schweiz. Wie antworten Sie hierauf als ehemaliger CEO der UBS und aktueller Präsident der Schweizerischen Bankiervereinigung? Warum benötigt die Schweiz Grossbanken nach wie vor?
Globale Finanzinstitute erbringen zahlreiche Dienstleistungen, die für weltweit tätige Unternehmen sehr wichtig sind. Die Schweiz ist eine Exportnation. Und wir möchten nicht, dass unsere Unternehmen vollständig von ausländischen Finanzinstituten – globalen Instituten – abhängig sind, die diese Art von Dienstleistungen ebenfalls anbieten. Ein globales Finanzinstitut wie die UBS erbringt aber nicht nur Dienstleistungen für internationale Unternehmen, sondern auch wichtige Leistungen für den Rest des Bankensystems. Und last but not least handelt es sich auch aus Sicht der übrigen Welt um ein sehr wichtiges Institut, das die Leistungsfähigkeit und die Kompetenz des Schweizer Finanzplatzes aufzeigt.
Einige Politiker fordern nun neue Regeln, um eine künftige Bankenkrise abzuwenden. Teilen Sie diese Meinung?
Selbstverständlich nehmen wir diese Bedenken sehr ernst. Es ist ganz natürlich, dass nach einem solchen Vorfall gefragt wird, ob sich diese Dinge vermeiden lassen oder was in Zukunft unternommen werden muss. Unserer Überzeugung nach müssen wir aber erst im Einzelnen verstehen, was passiert ist – vor allem im vergangenen Oktober, als es zu einer ersten Welle von erheblichen Einlagenabzügen durch Kunden kam – und natürlich in den Tagen und Wochen im März, die schliesslich in der Notübernahme mündeten. Nur wenn wir die Abfolge der Ereignisse eingehend analysieren und ganz genau verstehen, wird es uns gelingen, die richtigen Schlüsse hinsichtlich einer allfälligen Änderung der Regeln zu ziehen.
Nach Übernahme der Credit Suisse durch die UBS gab es viel Verunsicherung über die Zukunft des Finanzplatzes Schweiz. Ist der Schweizer Finanzplatz noch international konkurrenzfähig?
Von den 239 Finanzinstituten der Schweiz ist nur eines in Schwierigkeiten geraten. Die übrigen 238 florieren, sind ausserordentlich stabil und erbringen ihren Kunden Top-Dienstleistungen, die international absolut wettbewerbsfähig sind. Daher bin ich überzeugt, dass die Basis für den Erfolg des Schweizer Finanzplatzes gegeben ist und weiter Bestand haben wird. Diese Institute werden auch in Zukunft florieren. Und schliesslich hat die Übernahme der Credit Suisse durch die UBS bewiesen, wie stark der Finanzplatz Schweiz ist. Denn er verfügt über ein Institut, das zu einer solchen Transaktion in der Lage ist – und über Behörden und eine Regierung, die durch ihr rasches, wirksames Handeln innerhalb weniger Tage auf eine solche Lösung gekommen sind.
Weil die internationale Vernetzung des Bankensektors so klar zutage getreten ist, wird international auf eine engere Zusammenarbeit gedrängt. Welche Schritte möchte der Finanzplatz Schweiz in diese Richtung unternehmen?
Wir sind ein weltweit führender Akteur im Bereich der grenzüberschreitenden Vermögensverwaltung. Somit sind wir mit allen international tätigen Instituten eng vernetzt. Und seit eh und je setzen wir uns für die regulatorische Gleichbehandlung ein, also dafür, dass auf der ganzen Welt die gleichen Regeln fürs gleiche Geschäft gelten. Das werden wir auch künftig tun. Ausserdem treten wir für gute Beziehungen mit der Europäischen Union, offene Märkte und Freihandel ein, was unserer Ansicht nach die Grundlage für den Wohlstand aller Volkswirtschaften bildet. Dies werden wir weiterhin mit allen Mitteln und über alle von uns genutzten Kanäle tun. Und zu guter Letzt sind unsere Aufsichtsbehörden auch in den Gremien vertreten, die für die internationale Regulierung zuständig sind – vom Basler Ausschuss für Bankenaufsicht bis hin zum Rat für Finanzstabilität. Ausserdem kann die Schweiz aufgrund der jüngsten Erfahrungen meiner Meinung nach wichtige Erkenntnisse einbringen, um zur Entwicklung der internationalen Regeln im Bereich der Finanzstabilität beizutragen.
Lassen Sie uns in die Zukunft blicken: Wo wird der Finanzplatz Schweiz in fünf Jahren stehen?
Wir tun unser Möglichstes, um als Finanzplatz hier in der Schweiz weiter zu wachsen. Wir werden uns auf die Zukunft vorbereiten. Wir möchten uns eine Führungsrolle im Bereich der nachhaltigen Finanzwirtschaft erarbeiten. Wir treiben die Digitalisierung voran. Und überall laufen innovative Projekte, mit denen wir beschäftigt sind. Somit bin ich überzeugt, dass wir auch in Zukunft erfolgreich wachsen werden, können wir doch auf unsere Tradition als bewährter Finanzplatz mit solidem Rechtsrahmen und hochqualifizierten Experten bauen.
Marcel Rohner, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Ich danke Ihnen.