Zugang zum EU-Markt ist für den Bankensektor essenziell
«Es freut uns sehr, dass der Bundesrat den Dialog zwischen der Schweiz und der EU zur Regulierung der Finanzdienstleistungen wieder aufnehmen will», sagt Roman Studer, der neue CEO der Schweizerischen Bankiervereinigung.
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Dieses Interview wurde von Finance.Swiss geführt und am 18.12.2023 publiziert.
Im Gespräch beleuchtet Roman Studer die wichtigsten Themen der ersten Monate seit seinem Amtsantritt.
Sprechen wir zuerst über das Thema des Jahres: die Fusion zwischen Credit Suisse und UBS. Welches sind aus Ihrer Sicht die Folgen? Wer sind die grössten Gewinner, wer die Verlierer?
Roman Studer: Die grösste Verliererin ist die Credit Suisse selbst. Sie hat eine sehr stolze 167-jährige Geschichte, ist eine Institution in der Schweiz. Andererseits gehört das Scheitern zur Marktwirtschaft. So etwas kann also passieren.
Wenn wir von den Profiteuren des Verschwindens der Credit Suisse sprechen: Wer gewinnt im Private Banking?
Wir sehen, dass ein gesunder Wettbewerb herrscht, wie er für eine Marktwirtschaft typisch ist. Erfolgreiche Konkurrenten der Credit Suisse, insbesondere die grösseren Privatbanken in der Schweiz, aber auch die grösseren inlandorientierten Banken, übernehmen einen Teil des CS-Geschäfts. Gleichzeitig ist klar, dass der grösste Teil an die UBS übergeht.
Wie ist die Situation im Firmenkundengeschäft?
Im Firmenkundengeschäft ist die Lage etwas unklar. Es ist auch noch früh, um Aussagen zu machen. Es zeigt sich aber, dass sowohl grössere Kantonalbanken als auch einige der ausländischen Banken, die in der Schweiz tätig sind, bis zu einem gewissen Mass von dieser Situation profitieren.
Welche Auswirkungen hat die Fusion für das Geschäft mit Schweizer Privatkunden?
Auch hier sehen wir gewisse Verschiebungen zu inlandorientierten Banken. Aber auch diese Bewegungen waren bisher nicht sehr ausgeprägt.
Welche Lehren können wir aus dem Fall Credit Suisse ziehen, wenn es um die Regulierung geht?
Es ist wichtig, dass wir keine Schnellschüsse produzieren. Die Problematik ist nämlich sehr komplex. Es ist sehr wichtig, zuerst alle relevanten Fakten zu sammeln, daraus die Schlüsse zu ziehen und dann zielführende Lösungen zu entwickeln.
Hat das Image des Schweizer Finanzplatzes wegen der Turbulenzen gelitten?
Dass es negative Schlagzeilen gegeben hat, war absehbar. Diese konzentrierten sich aber auf das Ereignis rund um die Credit Suisse. Es war immer klar, dass die übrigen Banken stabil sind. Die Reaktion der Behörden ist schnell erfolgt und hat für Stabilität gesorgt. Wir stellen aber auch fest, dass Menschen in der Schweiz etwas kritischer sind als solche im Ausland. Von ausländischen Aufsichtsbehörden, aber auch von ausländischen Kunden hören wir oft, die Schweiz habe sehr rasch und entschlossen eingegriffen. Der Ruf der Schweiz und die Marke «Swiss Banking» sind unverändert sehr stark.
Der Schweizer Finanzplatz gerät wegen der Sanktionen und der Oligarchengelder unter Druck. Wie sehen Sie das?
Bei den Sanktionen gegen Russland müssen wir sehen, dass Schweizer Banken – wie auch andere Banken oder Branchen – vor dem Krieg mit Menschen aus Russland legal Geschäftsbeziehungen unterhalten haben. Sie taten dies so, wie es die Regeln und Vorschriften damals verlangten. Mit Ausbruch des Krieges haben sich diese Vorgaben, inklusive Sanktionen, dramatisch verändert – und das völlig zu Recht. Die Schweizer Banken halten sich strikt an die Sanktionen und setzen diese rigoros um. Auch beobachten wir, dass die Risikobereitschaft der Schweizer Banken gegenüber nicht sanktionierten russischen Personen im Vergleich zu anderen Finanzzentren recht gering ist. Gleichzeitig sehen wir, dass viele andere Finanzzentren keine Sanktionen verhängen. Als Folge davon fliesst viel nicht sanktioniertes Geld mit russischem Bezug aus der Schweiz ab.
Sprechen wir über zwei der wichtigsten Prioritäten der Schweizerischen Bankiervereinigung, zuerst über den Zugang zum EU-Markt. Wo stehen Sie diesbezüglich?
Der Bankensektor ist eine der wichtigsten Exportbranchen der Schweiz. Und der grösste Exportmarkt ist Europa. Wenn der Export von Finanzdienstleistungen dorthin nicht möglich ist, bedroht dies das ganze Geschäft. Gute Beziehungen und der Marktzugang mit grenzüberschreitenden Dienstleistungen sind für den Bankensektor absolut essenziell. Dass der Bundesrat den Dialog zwischen der Schweiz und der EU zur Regulierung der Finanzdienstleistungen wieder aufnehmen will, freut uns deshalb sehr. Ziel dieses Dialogs ist, den bisherigen grenzüberschreitenden Zugang zu bewahren und in der Folge auszubauen.
Eine weitere Priorität ist das nachhaltige Finanzgeschäft. Die Banken haben sich bisher erfolglos gegen den Vorwurf des «Greenwashing» gewehrt. Was unternimmt die Schweizerische Bankiervereinigung dagegen?
Ich denke, wir führen die falsche Diskussion. Ich kenne nämlich niemanden, der die Menschen absichtlich täuschen möchte.
Welches wäre denn die richtige Diskussion?
Die richtige Diskussion ist, wie man sich in einem rasch wandelnden Umfeld wie dem nachhaltigen Finanzgeschäft verhalten soll. Das Problem ist doch, dass es keine einheitliche Definition von grün gibt, keine einheitliche Definition von nachhaltig. Zudem sind die verfügbaren Daten zur Messung gewisser Indikatoren von schlechter Qualität. Und die Methoden entwickeln sich ständig weiter. In solch einem Umfeld müssen wir vermutlich zwei Dinge tun. Erstens müssen wir Transparenz schaffen zu den Daten und Methoden, die wir verwenden. Zweitens müssen wir auch deren Grenzen aufzeigen. In diesem Bereich der Regulierung, der sich so schnell entwickelt, brauchen wir ein flexibles Instrument. Dieses müssen wir rasch an die neuesten Erkenntnisse und Methoden anpassen können. Und dieses Instrument ist die Selbstregulierung.
Mit welchen Stärken und Eigenschaften soll der Schweizer Finanzplatz sich global positionieren?
Der Finanzplatz Schweiz verfügt über viele Stärken. Lassen Sie mich drei hervorheben: Die erste und wichtigste Stärke ist die Qualität der Produkte und Dienstleistungen. Diese Qualität hat bei uns eine sehr lange Tradition. Die zweite ist die Stabilität des Finanzsektors, aber auch der Schweiz im Allgemeinen. Und drittens verfügen wir über ein liberales wirtschaftspolitisches Umfeld, das Innovation fördert und gleichzeitig für Stabilität sorgt.
Wo sehen Sie die grössten Chancen, wo die grössten Risiken?
Als Chancen sehe ich die beiden Megatrends, die uns erhalten bleiben werden: das digitale und das nachhaltige Finanzgeschäft. Die Schweiz ist für beides sehr gut aufgestellt und hat eine lange Innovationstradition.
Bei den Risiken geht es einmal mehr um die Schweiz als Exportland und das Bankgeschäft als Exportbranche. Wenn es uns als Land gelingt, noch freieren Zugang zu neuen oder grossen Märkten zu erhalten, dann werden wir sogar noch erfolgreicher sein.