Meinungen
23.12.2024

«Wer spielte 2024 die Hauptrolle?»  

2024 stand der Schweizer Finanzplatz zwischen Stabilität und Kritik: Die Nachwehen des CS-Untergangs, Vorwürfe wegen Sanktionslücken und wachsender Regulierungsdruck prägten das Jahr.  Dr. Martin Hess, Leiter Wirtschaftspolitik der Schweizerischen Bankiervereinigung (SBVg) erklärt, wie die Bankenbranche trotzdem Stärke zeigte und was 2025 bringen wird.  

Martin, wenn 2024 ein Film über den Finanzplatz wäre – was wäre der Titel? Und wer spielt die Hauptrolle: Die Stabilität, die Innovation oder die Regulierung?  

Wenn ich an die Bilder des America’s Cup in diesem Herbst denke, dann fällt mir spontan dessen Motto «There is no second» als Filmtitel ein. Es kann nur einen Sieger geben, und das müssen auf die Banken übertragen, ihre Kundinnen und Kunden sein. 

Und wie bei den Booten im America’s Cup müssen auch bei den Banken die Stabilität, die Innovation und die Regulierung gleichermassen erfüllt sein. 

Dort fliegen die Boote mittlerweile. Diesen innovativen Schritt vom Gleiten zum Fliegen wünsche ich mir auch für die Bankkunden. Die Stabilität ist aber zentral. Die besten Innovationen nützen bei einem Schiffbruch nichts. Das Schweizer Boot darf auch keine erschwerten Regeln gegenüber der Konkurrenz haben. Sonst bleibt man lieber gleich im Hafen. 

Der Untergang der Credit Suisse war das grosse Drama des letzten Jahres. Aber jede gute Geschichte braucht einen Plot-Twist. Wo siehst du den Wendepunkt für den Finanzplatz, und was hat der Branche geholfen, wieder Fahrt aufzunehmen? 

Um beim Segeln zu bleiben. Das Boot der CS ist schlicht zu hart am Wind gesegelt. Die Analyse der Experten wird zeigen, dass der Halbwindkurs der schnellste ist. Die Stabilität und die Innovationsfähigkeit aller anderen Banken in der Schweiz sind aber nach wie vor beeindruckend. Eine Wende der Schweizer Flotte in eine ganz andere Richtung, bei der viel Fahrt verloren ginge, ist deshalb nicht notwendig. Frühzeitige und zielgerichtete Anpassungen auf der Basis genauer Karten und Wetterdaten versprechen den grössten Erfolg.  

Die Ergebnisse des Bankenbarometers gelten als eigentlicher Pulsmesser des Schweizer Bankensektors. Gab es Zahlen, die dich besonders positiv oder negativ überrascht haben?  

Es ist erfreulich zu sehen, dass die Banken auch in einem anspruchsvollen wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld ihren Geschäftserfolg steigern können. Letztes Jahr hat das Zinsgeschäft Schub gegeben. Im laufenden Jahr dürften die Gebühren- und Kommissionseinnahmen im Anlagegeschäft die erschwerten Bedingungen an der Zinsfront ausgleichen. Hier zeigen sich einmal mehr die Vorteile eines grossen, gut diversifizierten Bankensektors.  

Digitalisierung und KI – die Banken müssen in Form bleiben. Welchen “Trainingsplan” empfiehlst du der Branche für 2025, um fit für die Zukunft zu sein?  

Ich sehe hier zwei Grundvoraussetzungen, um sich den technologischen Herausforderungen stellen zu können. Zum einen sind Banken, die ihre Kosten im Griff haben, eher in der Lage rasch die technologischen Weichen für die Zukunft zu stellen und die Investitionen zu stemmen. Zum anderen ist ein grundlegendes Verständnis der Möglichkeiten und Risiken des Einsatzes neuer Technologien zwingend. Ansonsten fallen zukunftsweisende Entscheidungen einer pauschalen finanziellen und juristischen Risikovermeidungsstrategie zum Opfer. 

Welche Frage würdest du gerne beantworten, die dir nie gestellt wurde? 

Ob nach dem Knacken der USD 100'000 Schallgrenze der Bitcoin auch die USD 200’000er Grenze übertreffen wird. Das kann ich relativ gefahrlos mit Ja beantworten. Wenn es dann soweit ist, verweise ich öffentlich auf meine Prognose und bis zu diesem Zeitpunkt warte ich ab. Ein solches Verhalten ist der Grund dafür, dass ein Grossteil aller Prognostiker richtig liegen, obwohl Renditeprognosen sehr schwierig sind. 

Dr. Hess’ Bank-Buzz-Word Bingo 2025  

Grösste Chance: Digitalisierung 

Ein Muss. Auch 2025 ist kein Big Bang zu erwarten, aber wir dürften grosse Fortschritte einiger Banken sehen.  

Trendwort 2025: Resilienz 

Resilienz ist ideologisch unbelastet, positiv behaftet und jeder hat etwas andere Vorstellungen über Art und Wesen der Resilienz. Beste Voraussetzungen für einen inflationären Sprachgebrauch. 

Dein persönlicher Tipp für Bankkunden? 

Abgesehen von meiner Bitcoinprognose für ein unbestimmtes Jahr (vgl. oben) gibt es von mir nur den Rat, sich an Ihre Kundenberaterin oder Ihren Kundenberater zu wenden.

Autoren

Nirmala Alther
Senior Manager Themen & Media Relations
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